Bern, den 7. März 2012
Bundesamt für Migration, Direktionsbereich Migrationspolitik
Sektion Recht
Sandrine Favre, Nicole Marazzato
sandrine.favre@bfm.admin.ch
Anhörung: Totalrevision der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen
Sehr geehrte Damen und Herren
Gerne nehmen wir Stellung zur vorgeschlagenen Totalrevision der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen.
Recht auf Reisefreiheit
Gemäss dem neuen Entwurf sollen Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen nur noch bei ganz spezifischen Gründen ins Ausland reisen dürfen: Bei schwerer Krankheit oder beim Tod von Familienangehörigen, zur Erledigung von wichtigen und unaufschiebbaren höchstpersönlichen Angelegenheiten oder bei Reisen, die von der Schule oder vom Ausbildungsbetrieb vorgeschrieben sind. Eine vorläufig aufgenommene Person erhält allenfalls noch das Recht auf eine 30-tägige Reise aus humanitären Gründen oder zum Zweck einer aktiven Teilnahme an Sport- oder Kulturanlässen. Mit dieser Regelung wird die erst im März 2010 eingeführte Reisefreiheit für vorläufig Aufgenommene wieder abgeschafft. grundrechte.ch lehnt diese erneute Einschränkung der Reisefreiheit für vorläufig Aufgenommene und für Asylsuchende entschieden ab.
Recht auf Familie
Vorläufig aufgenommene Personen leben aufgrund der restriktiven Bewilligungspraxis oft über Jahre und Jahrzehnte mit Bewilligung F in der Schweiz, da sie aus verschiedenen Gründen, wie Krankheit, Gewalt, Bürgerkrieg im Heimatland auf den vorläufigen Schutz der Schweiz angewiesen sind. Oftmals leben ihre Verwandten in anderen europäischen Ländern. Für Personen mit F-Ausweis, die aufgrund ihrer Vergangenheit und aufgrund der prekären Situation in der Schweiz oft mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, erfüllen Besuche von Familienangehörigen eine äusserst wichtige Funktion für ihr psychisches Wohlergehen. Solche Besuche können den Personen Halt geben und sich im übrigen auf den geforderten Integrationsprozess durchaus positiv auswirken. Das Recht auf den Besuch von Familienangehörigen muss hier unbedingt gewährt werden. Es ist absehbar, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei einer allfälligen Beschwerde die Schweiz wegen Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens verurteilen würde, falls Reisen zu Familientreffen und zur Pflege des Familienzusammenhalts allgemein tatsächlich untersagt würden (siehe dazu das Urteil vom 11. Oktober 2011).
Erfüllung des Zweckes?
Als Begründung für die Einschränkung der Reisefreiheit werden einzelne „Missbrauchfälle“ genannt. Hierzu ist erstens zu sagen, dass das BFM nach eigenen Angaben bereits über Möglichkeiten verfügt, allfällige Missbräuche zu ahnden. Es ist also keineswegs nötig, wegen einzelnen Fällen von „Missbrauch“, einem Personenkreis von rund 25 000 Menschen (Anzahl vorläufig Aufgenommener) das Grundrecht auf Bewegungs- bzw. Reisefreiheit derart einzuschränken. Zweitens halten wir fest, dass die vorgesehene Massnahme nicht verhindern kann, dass es weiterhin zu einzelnen „Missbrauchfällen“ kommen kann. Die Massnahme kann den beabsichtigten Zweck gar nicht erfüllen.
Für grundrechte.ch ist der Eingriff in die persönlichen Freiheiten der betroffenen Personen unverhältnismässig, ungeeignet und zweckfremd. Biometrische Reisedokumente grundrechte.ch lehnt biometrische Ausweise nach wie vor ab.
Eine zentrale Speicherung biometrischer Daten während zwanzig Jahren im ISR ist aus grundrechtlicher Sicht höchst problematisch. Unter anderem wird mit der Speicherung der Daten eine erhebliche Missbrauchsgefahr geschaffen, indem die gesammelten Daten entwendet und / oder für irgendwelche andere Zwecke genutzt werden können, sei es von Polizeien, Geheimdiensten oder weiteren Drittparteien. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die Forderung der USA, dass die Schweiz Zugang zu polizeilichen Datenbanken gewährleisten müsse, falls weiterhin eine visumfreie Einreise in die USA für Schweizer Staatsbürger gewünscht werde.
Aus den oben genannten Gründen lehnt grundrechte.ch die gesamte Revision ab.
Mit freundlichen Grüssen
Catherine Weber, Geschäftsführerin
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