Bahnreform 2: Rambos, Drogentests und hohe Bussen
17. April 2007
Mit einem neuen Gesetz über den Sicherheitsdienst von Transportunternehmungen sollen alle Rechte, welche Securitrans seit Jahren ohne gesetzliche Grundlagen frech beansprucht, für private Organisationen zementiert werden. Die "Transportpolizei", welche jeder Betrieb des öffentlichen Verkehrs aufbauen und auch an Dritte auslagern kann, soll Personenkontrollen dürchführen und auch Daten mit der Polizei austauschen dürfen.
Verkehrspersonal zum Drogentest
Nicht nur das Personal der SBB muss zum Drogentest antraben. Das Bundesamt für Verkehr plant Zwangstests für alle Personen mit Sicherheitsaufgaben im öffentlichen Verkehr.
Mitte März hatte ein Bericht des Nachrichtenmagazins «10 vor 10» des Schweizer Fernsehens für Aufsehen gesorgt. Die unter 40-jährigen Mitarbeiter der SBB mit Sicherheitsfunktionen - Lokführer, Kondukteure, Rangier- und Gleisarbeiter - werden im Rahmen eines routinemässigen Gesundheitschecks auf Alkohol und Drogen untersucht. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür und der Arbeitsrechtler Thomas Geiser von der Universität St. Gallen reagierten damals skeptisch und sahen die Gefahr, dass solche Zwangstests zu stark ins Privatleben des SBB-Personals eingriffen.
Der Bundesrat hat bereits Anfang März einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der Zwangstests für eine grosse Zahl von Personen im öffentlichen Verkehr vorsieht. Die Bestimmungen sind in einem Paket der Bahnreform 2 untergebracht und wurden unter dem unscheinbaren Titel «Revision der Erlasse über den öffentlichen Verkehr (RöVE)» bereits dem Parlament zugeleitet.
Urin, Schweiss, Haare, Fingernägel
«Im Gegensatz zum Strassenverkehr bestehen für die Eisenbahnen keine gesetzlichen Vorschriften bezüglich Alkohol- und Drogenmissbrauch. Da die Verantwortung des sicherheitsrelevanten Personals im öffentlichen Verkehr sehr gross ist, können entsprechende Gefährdungen nicht toleriert werden», heisst es in den Erläuterungen. Die Bestimmungen bilden die gesetzliche Grundlage für die bereits in die Eisenbahnverordnung aufgenommene Regelung über die Prüfung für Triebfahrzeuglenker. Allerdings soll zugleich erreicht werden, dass entsprechende Tests überall im öffentlichen Verkehr möglich werden. «Ziel des Gesetzes ist es, dass alle Personen mit sicherheitsrelevanten Aufgaben im gesamten öffentlichen Transportwesen erfasst werden», sagt Davide Demicheli vom Bundesamt für Verkehr. Die Bestimmungen sollen also nicht nur für die SBB gelten, sondern auch für entsprechende Personen bei allen anderen Bahnunternehmen sowie bei Bussen, Schiffen und Luftseilbahnen.
Neu sollen zur «Feststellung der Dienstfähigkeit» systematische Atemalkoholkontrollen zulässig sein, auch ohne Verdacht. Verhalten sich Personen beim Dienstantritt auffällig, können weitere Tests angeordnet werden. Vorgesehen sind Proben von Blut, Urin, Speichel, Schweiss sowie Analysen von Haaren und Nägeln, die Rückschlüsse auf den Konsum von Alkohol, Medikamenten und Drogen zulassen. Personen, bei denen eine Dienstunfähigkeit festgestellt wird, werden für eine gewisse Zeit von sicherheitsrelevanten Tätigkeiten ausgeschlossen.
Videoaufnahmen und hohe Bussen
Videoaufnahmen sollen bis zu 100 Tage aufbewahrt werden dürfen, und Bussen für Schwarzfahren und andere Bagatellen steigen bis 10,000 Franken.
Update vom 12. November 2007: Die neue "Transportpolizei" ist immer noch in parlamentarischer Beratung, aber neu sollen Mitarbeiter privater Firmen nicht mehr zur Polizeiprüfung zugelassen werden. Auf ein Downgrade der Securitrans zu einem normalen Sicherheitsdienst kann gehofft werden.
Update vom 20. Juni 2008: Nachdem der Nationalrat das neue Transportpolizeigesetz kritiklos durchwinkte, will die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates die Kompetenzausweitungen (Personenkontrollen etc.) kippen.
Update vom 20. März 2009: In der Schlussabstimmung hat der Nationalrat das Transportpolizeigesetz abgelehnt.
Update vom 17. Juni 2009: Nach der Schlappe in den eingenössischen Räten brachte die Polizeidirektorenkonferenz den naheliegenden Vorschlag, polizeiliche Aufgaben in Zügen durch Kantonspolizisten wahrzunehmen, was das Ende der Bahnpolizei von Securitrans bedeuten würde. Parallel dazu versucht ein Grüpplein von Nationalräten, die Securitrans auf Biegen und Brechen zu erhalten.
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