Keine Strafe ohne Strafantrag

9. Oktober 2019

Antragsdelikte betreffen Bagatellen wie etwa Tätlichkeiten und leichte Körperverletzungen. Eine Bestrafung ist nur möglich, wenn die geschädigte Person rechtzeitig und eindeutig einen Strafantrag gestellt hat.

Im Oktober 2013 hat eine Person bei einem stehenden Personenwagen die Beifahrertüre geöffnet und dabei eine von hinten herannahende Fahrradfahrerin übersehen. Bei der Kollision zwischen Autotüre und Fahrrad stürzte die Fahrradfahrerin und zog sich je ein Hämatom an der rechten Hüfte und an der linken Schulter zu.

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Wegen der Reparaturkosten des beschädigten Fahrrads meldete die Fahrradfahrerin den Unfall 10 Tage später bei der Polizei, welche sie zwei Wochen später als Auskunftsperson einvernahm. Nach über einem halben Jahr wurde der Sachverhalt mit Hilfe des Formulars «Verkehrsunfall» aufgezeichnet und zusätzlich ein «Unfallaufnahmeprotokoll» ausgefüllt. Im Formular «Angaben zur Lenkerin» wurde in der Spalte «Strafantrag» weder «Strafantrag», noch «Verzicht» oder «Frist» angekreuzt.

Der unvorsichtige Türöffner wurde im April 2017 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte im Juni 2018 das erstinstanzliche Urteil. Es argumentierte, der Fahrradfahrerin als juristischer Laiin könne nicht entgegengehalten werden, dass der Polizist sie anlässlich ihrer Einvernahme nicht gefragt habe, ob sie Strafantrag stellen wolle und im Formular «Angaben zur Lenkerin» beim dafür vorgesehenen Kästchen «Strafantrag» kein Kreuz gesetzt worden sei. Den Strafantrag mangels Protokollierung als nicht gestellt zu betrachten, würde überspitzter Formalismus darstellen.

Das Bundesgericht hat, einmal mehr, das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt aufgeklärt. Aus den vorhandenen Schriftstücken lässt sich nicht entnehmen, dass die Fahrradfahrerin je den Willen zum Ausdruck gebracht hätte, dass der Türöffner wegen des von ihr gemeldeten Verkehrsunfalls bestraft werden sollte. So liegt weder ein ausdrücklicher Antrag zur Strafverfolgung noch eine Erklärung oder Äusserung vor, aus welcher sich ein sinngemässer Wille implizit ableiten liesse. Dass die Fahrradfahrerin vom Polizist anlässlich ihrer Einvernahme nicht gefragt wurde, ob sie Strafantrag stellen wolle, vermag daran nichts zu ändern.

 

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