So kann Aegis bleiben

23. Januar 2013

Jo Lang, Tages Woche

Entgegen seinen Behauptungen unternimmt der Bundesrat nicht wirklich etwas, um Söldnerfirmen in der Schweiz zu verbieten. Dabei müssten die rassistischen Truppen dringend gestoppt werden – weltweit. Ein Kommentar von Jo Lang

«Mächtige Söldnerflotte soll Piraten abschrecken», «Glencore-Präsident plant Kriegsflotte gegen Piraten», solche Meldungen führten in den letzten Tagen zu etlichem Aufruhr. Da wollen private Multis eigene Söldnerarmeen aufbauen, um ihre Schiffe zu schützen. In einer späteren Phase wären es dann Plantagen, Goldminen, Kupferhütten, Häfen.

Das ist eine Wiederkehr des klassischen Kolonialismus. So verfügten die privaten Ostindien-Kompanien der Briten und Niederländer über eigene Armeen. Einer der beiden Köpfe des aktuellen Vorhabens ist der Glencore-Verwaltungsratspräsident Simon Murray. Der 72-Jährige hatte als Fremdenlegionär in den frühen 60er Jahren für das französische Kolonialregime gegen die algerische Befreiungsbewegung gekämpft.

Eine Horror-Vorstellung

Dass Multis, deren Umsatz grösser ist als das der meisten Entwicklungsländer, nicht nur Minister und Abgeordnete kaufen sowie Richter und Beamte bestechen, sondern sogar eine eigene Söldnerarmee unterhalten, muss für jeden Demokraten, dem Rechtsstaatlichkeit etwas bedeutet, eine Horror-Vorstellung sein. So war es heute beruhigend, eine bundesrätliche Medienmitteilung mit folgendem Titel zu lesen: «Söldnerfirmen in der Schweiz verbieten». Die Schweizerische Depeschenagentur und Online-Medien haben die Frohbotschaft sofort aufgenommen und verbreitet. In Basel dürften sich viele gefreut haben, dass nun das letzte Stündchen der Aegis Group geschlagen hat.

Besonders laut hätte ich selbst jubeln müssen, hatte doch die Motion «Verbot von Privatarmeen in der Schweiz», die ich am 1. Oktober 2010 eingereicht hatte und die darauf von den beiden Kammern überwiesen worden war, die ganze Revision ausgelöst. Aber bereits das, was im Pressecommuniqué unterhalb des verheissungsvollen Titels stand, widersprach derart eindeutig demselben, dass man sich fragen muss, ob gewisse Medienschaffende schon so auf Kurzfutter getrimmt sind, dass sie nur noch Titel lesen.

Der erste bundesrätliche Zwischentitel lautet: «Keine Teilnahme an Feindseligkeiten». Wie soll jemand, den es gar nicht mehr gibt, an der Teilnahme an irgendetwas gehindert werden? Der erste Satz gibt dann eine höchst ernüchternde Antwort auf diese Frage: «Das neue Gesetz verbietet in der Schweiz ansässigen Sicherheitsunternehmen, unmittelbar an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland teilzunehmen.» Dieser Satz heisst im Klartext: Das neue Gesetz lässt es zu, dass «Sicherheitsunternehmen» a) im «Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland» agieren und b) mittelbar teilnehmen dürfen.

Vage und vor allem: realitätsfremd

Wer glaubt, in der Hitze des Gefechts zwischen «unmittelbar» und «mittelbar» unterscheiden zu können, der hat keine Ahnung von heutigen Kriegen. Nehmen wir an, «Angestellte» eines «Sicherheitsunternehmens» bewachen ein militärisches oder ziviles Objekt in Afghanistan. Nun wird dieses von den Taliban angegriffen. Die Bewachungs-«Angestellten» schiessen zurück und verfolgen die Angreifer. Ist das keine «unmittelbare» Teilnahme an Feindseligkeiten?

Weiter heisst es in der Medienmitteilung: «Die Sicherheitsunternehmen dürfen auch keine Tätigkeiten ausüben, die schwere Menschenrechtsverletzungen begünstigen. Untersagt ist beispielsweise der Betrieb eines Gefängnisses in einem Staat, in dem bekanntermassen gefoltert wird.» «Leichte» Menschenrechtsverletzungen dürfen also begünstigt werden? Beginnen «schwere» Menschenrechtsverletzungen nicht mit «leichten»? Eine Söldnerfirma darf in einem Folterstaat kein Gefängnis betreiben, aber die anderen Tätigkeiten sollen ihr in einem solchen Staat erlaubt sein? Wie will die Schweiz die «Tätigkeiten» (was für ein Wort für das Kriegshandwerk?) der Söldner ihrer Firmen kontrollieren und überprüfen?

Die bundesrätlichen Bestimmungen sind derart vage, dass es für Aegis überhaupt nicht das Aus in der Schweiz bedeuten muss. Aegis wird beteuren, dass es in Kriegsgebieten nicht «unmittelbar an Feindseligkeiten» teilnehmen oder «keine Tätigkeiten ausüben» wird, die «schwere Menschenrechtsverletzungen begünstigen». Und den «International Code of Conduct für Private Security Services Providers» kann es problemlos unterzeichnen, weil er ja von den Söldnerfirmen selber stammt.

Vergessen wir nicht, warum Aegis nach Basel gekommen ist. Nicht wegen den Steuern, sondern wegen den schweizerischen «Brands» Neutralität, humanitäre Tradition und Depositarstaat der Genfer Abkommen.

Private dürfen auch nicht in Krieg ziehen

A propos Tradition: Das Verbot des Söldnerwesens gehörte zu den Kernforderungen der beiden einflussreichsten Bewegungen der Schweizer Geschichte, der Reformation im 16. Jahrhundert und des Liberalismus im 19. Jahrhundert. Warum soll juristischen Personen erlaubt sein, was natürlichen Personen verboten ist: die private Beteiligung an Kriegen? Weder Ulrich Zwingli noch die Freisinnigen wären auf die Idee gekommen, den Söldnern die aktive Präsenz in «bewaffneten Konflikten» zu erlauben, solange sie nicht «unmittelbar an Feindseligkeiten» teilnehmen.

Die Privatisierung des Kriegs ist eine brandgefährliche und verhängnisvolle Entwicklung. Die Schweiz muss – gemeinsam mit dem vorbildlichen Norwegen – alles in seiner Kraft stehende tun, um die damit verbundene Zerstörung des Völkerrechts zu stoppen. Kriegführende Länder wie Deutschland, Grossbritannien, Frankreich oder die USA, die eigene Soldaten durch Söldner und Drohnen ersetzen wollen, können da nicht als Beispiele dienen, nicht einmal als schlechte. Sie fördern ganz bewusst solche Söldnerfirmen, weil die eigenen Jungen nicht mehr bereit sind, für unsinnige Kriege ihr Leben zu riskieren.

Diese Typen sind abstossend, abscheulich, primitiv

Im November 2006 bin ich nach einer Reise durch den Norden und das Zentrum Afghanistans von Kabul nach Dubai geflogen. Die grosse Mehrheit der Passagiere waren Söldner auf dem Flug in den Urlaub. Ich bin in meinem ganzen Leben nie einer derartigen Ansammlung abstossender, abscheulicher, primitiver Typen begegnet. Bereits während des langen Wartens auf dem Flughafen hatte ich Gelegenheit, sie zu beobachten und ihnen zuzuhören. Es ist kein Zufall, entstand das heutige Söldnerwesen aus jenen südafrikanischen Truppen, welche für das Apartheid-Regime gekämpft hatten.

Auch der Söldnerfirmen-Gründer Simon Murray ist seiner damaligen Mentalität treu geblieben. In seinem ersten Interview als neuer Glencore-Chef wetterte er im «Sunday Telegraph» gegen Afrikaner, welche sich «auf betrügerische Art und Weise» Asyl erschleichen und «die wir dann nicht mehr loswerden». Das sagt ein ehemaliger Kolonialkrieger, der auf afrikanischem Boden gegen Afrikaner gekämpft hat und der sich heute bereichert an afrikanischen Rohstoffen, die von schlecht bezahlten Afrikanern aus dem afrikanischen Boden geholt werden.

Auch in den regulären Armeen gibt es Rassismus. Aber die Söldnertruppen sind rassistisch. Auch deshalb sind sie zu verbieten,

 

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