20. April 2016 hat der Erste Senat des Deutschen Bundesverfassungsgerichts verkündet, dass er eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts zur Terrorismusbekämpfung teilweise gutgeheissen habe.
Das angefochtene Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) in der Fassung vom 31. Dezember 2008 enthält Materialien, welche in der Schweiz einerseits im Nachrichtendienstgesetz NDG, welches am 25. September 2016 zur Volksabstimmung gelangt, und andererseits im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs BÜPF, gegen welches noch bis zum 7. Juli 2016 die Referendumsfrist läuft, angesiedelt sind.
Anders als das NDG und das BÜPF ist das BKAG nicht auch auf Bagatelldelikte jeglicher Couleur anwendbar, sondern ausschliesslich zur Terrorismusbekämpfung für Straftaten, deren Höchststrafe mindestens 5 Jahre Gefängnis beträgt.
Das Bundesverfassungsgericht stützt seinen Entscheid auf zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR, dessen Rechtsprechung auch für die Schweiz bindend ist.
Einige wichtige Aspekte:
Nachrichtendienstgesetz
Die Regelung der Wohnraumüberwachung entspricht den Verhältnismässigkeitsanforderungen nur teilweise. Zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung müssten zunächst alle Daten von einer unabhängigen Stelle gesichtet werden, ob sie höchstprivate Informationen enthalten, bevor sie vom Bundeskriminalamt verwertet werden dürfen. In der Schweiz fehlt eine derartige Regelung im NDG genau so, Daten von in Wohnungen installierten Geräten dürften ungefiltert vom Nachrichtendienst ausgewertet werden.
Zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung müssen die Grundsätze der Zweckbindung und Zweckänderung eingehalten werden, wobei eine Zweckänderung nur in bestimmten Grenzen erlaubt werden darf. Mit verdeckten Ermittlungsmethoden im Privat- und Geheimbereich zur Gefahrenabwehr erhobene Daten dürfen nicht zur Strafverfolgung verwendet werden. Das NDG sieht aber statt eines Verwertungsverbots vor, dass alle Erkenntnisse zwingend an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden müssen. Somit wird möglich, dass durch präventive Überwachung im Privat- und Geheimbereich ein Anfangsverdacht geschaffen wird, welcher dann zu einem Strafverfahren führt. Dies ist klar nicht zulässig und widerspricht der Rechtsprechung des EGMR.
Die Übermittlung der Daten aus präventiver Überwachung an inländische und ausländische Behörden sind nur teilweise zulässig. Eine wirksame Begrenzung der Übermittlung von Daten an inländische und ausländische Behörden sieht auch das NDG nicht vor.
Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs
Die Regelung zum Zugriff auf informationstechnische Systeme entspricht den Verhältnismässigkeitsanforderungen nur teilweise. Zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung müssten zunächst alle Daten von einer unabhängigen Stelle gesichtet werden, ob sie höchstprivate Informationen enthalten, bevor sie vom Bundeskriminalamt verwertet werden dürfen. In der Schweiz fehlt eine derartige Regelung im BÜPF ebenso. Daten von mit Schadsoftware infiltrierten Geräten dürften ohne Einschränkung von der Stelle, welche die Überwachung beantragt hat, ausgewertet werden.
Da das BKAG ausschliesslich zur Terrorismusbekämpfung für Straftaten, deren Höchststrafe mindestens 5 Jahre Gefängnis beträgt, anwendbar ist, hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht explizit mit Bagatelldelikten befasst. Aus den Erwägungen wird aber klar, dass ein Zugriff auf informationstechnische Systeme nur zur Aufklärung schwerer und schwerster Straftaten verhältnismässig sein kann. Der sehr breite Katalog des BÜPF, welcher die Voraussetzungen zum Einsatz von Trojanern regelt, ist viel zu gross.
Ebenfalls ist der Schutz von Drittpersonen und Geheimnisträgern im BÜPF wie im BKAG ungenügend.
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