Sportfans wehren sich gegen Extrazug-Zwang

11. Oktober 2012

Wer mit der Bahn zu einem Sportanlass fährt, muss in Zukunft einen Extrazug benutzen. Wird randaliert, muss der Verein bezahlen. Fans und Clubs sind alles andere als begeistert.

Transportunternehmen sollen Sportfans verpflichten können, in einem Extrazug zu einem Spiel zu reisen. Bei Sachschäden müssten die Vereine haften. An der Gesetzesänderung stossen sich besonders Fanorganisationen und Vereine. Die SBB und die Parteien begrüssen die Massnahmen.

Die Gewaltbereitschaft und Sachbeschädigungen gewisser Fans in Extrazügen und -bussen hat den Bundesrat letzten März auf den Plan gerufen. Das Ergebnis ist die Revision des Personenbeförderungsgesetz, deren Vernehmlassung am Donnerstag endete.

Im Kern sieht die Gesetzesänderung zwei Massnahmen vor. Die SBB und andere Bahnen sollen künftig Sportfans verpflichten können, in einem Extrazug zu einem Spiel zu reisen. Damit wird die Transportpflicht des öffentlichen Verkehrs gelockert.

Zweitens müssten sich Sportklubs verpflichten, für sämtliche Schäden an Personen und Sachen, welche ihre Fans auf den Fahrten verursachten, zu haften.

Clubs und Fans stärker in Pflicht nehmen

Auf positives Echo stösst die neue Regelung bei der SBB: Clubs und Fanorganisationen würden damit stärker in die Pflicht genommen und müssten mehr Verantwortung übernehmen. «Wir verlangen, dass die Sicherheit für die Kunden und unsere Mitarbeitenden garantiert ist», sagte SBB-Pressesprecherin Patricia Claivaz auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.

Von der Haftungspflicht erhofft sich die SBB, die ungedeckten Kosten mit Fanzügen zu senken oder ganz zu tilgen. Diese belaufen sich auf jährlich drei Millionen Franken, wobei einige hunderttausend Franken auf Schäden zurückzuführen seien.

Es sei nicht normal, dass der öffentliche Verkehr solche Akte des Vandalismus und der Aggression gegen das Personal hinnehme, schreibt der Verband öffentlicher Verkehr (VöV). Gegenüber normalen Benutzern des öffentlichen Verkehrs sei dies ungerecht.

Bei den Städten, welche das Polizeiaufgebot um Stadien zur Verfügung stellen, stösst die Revision auf Zustimmung. Der Schweizerische Städteverband will sogar noch weitergehen und das Sicherheitsdispositiv um Stadien generell erhöhen.

Wichtig sei zudem, dass auch die Beförderung nach der Sportveranstaltung geregelt werde, schreibt der Städteverband.

Kritische Töne vom SFV

Erwartet ablehnend stehen Fanorganisationen und der Schweizerische Fussballverband (SFV) der Revision gegenüber. Fanarbeit Schweiz bedauert die Gesetzesrevision, da sie nur auf Zwang setze und die eigenen Bemühungen der Fans ausser Acht lasse, schreibt die Organisation.

Zudem garantiere die heutige Durchmischung von Fans und regulären ÖV-Benutzern, dass jeweils nur kleine Fangruppen im Stadion eintreffen würden. Die Extrazüge haben sich laut Fanarbeit Schweiz deshalb bewährt.

Die Revision erfüllt laut dem SFV die rechtsstaatlichen Anforderungen nicht, da beispielsweise nur schwer unterschieden werden könne, wer Fan oder bloss Reisender sei, schreibt der Verband. Die Haftungspflicht von Vereinen könne nur gelten, wenn dies vertraglich mit dem Transportunternehmen festgelegt worden sei.

«Die Arbeit zwischen den Klubs, öffentlichem Verkehr und den Fanorganisationen läuft Gefahr, durch diese Revision torpediert zu werden», schreibt die Organisation grundrechte.ch. Sie glaubt zudem nicht, dass der Bund die notwendigen Kompetenzen zur Regelung polizeilicher Aufgaben besitze.

Bei den Parteien wird die Gesetzesrevision begrüsst. Namentlich die Haftungspflicht der Vereine stösst bei der CVP und der SVP auf Zustimmung. Noch keine Position bezogen hat die FDP.

Mehrheitlich zufrieden zeigt sich auch die SP. Sie stört sich einzig daran, dass der Bundesrat die Kompetenz erhalte, Personen aus Gründen der Hygiene, der Gesundheit oder der öffentlichen Ordnung nicht zu transportieren.

(sda)

 

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