Tod und Hass dem Swisspass

1. April 2016

Philipp Loser, TagesAnzeiger

Die SBB suchen aktuell «Brummbären» und «Sekundenzähler», die den Bundesbahnen die Meinung sagen. «Hohe Ansprüche bringen uns weiter», heisst es dazu in schönstem PR-Deutsch auf den grossen Plakaten in unseren Bahnhöfen. Die Kampagne ist schlau, ironisch und erfüllt ihren Zweck genau in jener Art, in der sich das die schönen PR-Menschen (vielleicht arbeiten wir halt doch in der falschen Branche) in ihren teuren Büros ausgetüftelt haben. Natürlich wird genörgelt. Über stinkende WC, dreckige Sitze, zu kalte Klimaanlagen. Aber die Nörgler im dazugehörigen Video merken meist selber, dass das Petitessen sind im Vergleich zur (vom Unternehmen latent suggerierten) allgemeinen Grossartigkeit der SBB.

Bravo, kann man da nur sagen, und dazu einmal ironisch klatschen (wobei man das seit den 90er-Jahren ja nicht mehr macht). Ironisch, weil die aktuelle Werbekampagne einmal mehr zeigt, dass sich die SBB im gleissenden Licht ihrer alles überstrahlenden Grossartigkeit einfach alles leisten können.

Und damit zum eigentlichen Thema: dem wohl grössten Stunt in der jüngeren Konsum- und Werbegeschichte der Schweiz, dem Monster namens Swisspass, das sämtliche General- und Halbtaxabos ersetzt. Es ist, als ob sich die gleichen teuren PR-Berater der SBB in ihren Büros eine kleine Wette überlegt hätten: Wie schlecht können wir ein Produkt machen - und es trotzdem noch verkaufen?

Das letzte Jahr mit dem Swisspass zeigt: sehr schlecht. Pepsi-Crystal-schlecht. HD-DVD-schlecht, ja was sagen wir: Google-Glass-schlecht! Knapp ein Jahr alt ist der Swisspass nun, im Sommer wird auch der letzte treue Kunde eines General- und Halbtaxabonnements einen besitzen müssen, und noch immer ist man fassungslos ob der offensichtlichen Beschränktheit dieser neuen Karte. Sie bringt dem Kunden (und um den ginge es doch eigentlich) ausser Ärger überhaupt nichts. Es ist eine Zumutung, die Karte jedes verdammte Mal dem Kondukteur in die Hand zu drücken. Kam tatsächlich niemandem bei den SBB und beim Verband öffentlicher Verkehr in den Sinn, dass man eine solche Karte auch hätte beschriften können (mit «GA» oder «Halbtax» beispielsweise, der Name des Kunden steht ja auch da), statt sie jedes (verdammte!) Mal scannen zu lassen? Es ist, als ob man ein funktionierendes WLAN (das es in den Zügen übrigens auch nicht gibt, ich böser Brummbär) mit einem unzuverlässigen Kabelmodem ersetzt hätte. Aber wie sie uns das verkauft haben! Die Zukunft der Mobilität, endlich Skifahren per GA, alles auf einer Karte.

Dabei geht es den SBB - und das ist in seiner Offensichtlichkeit beinahe obszön - einzig und allein um die Daten ihrer Fahrgäste. Wenn die Erhebung dereinst richtig funktioniert (nicht mal das haben sie zustande gebracht, auch der Scanner geht nur jedes gefühlte zweite Mal), werden die Bundesbahnen auf jeden einzelnen Pendler genau wissen, wie welcher Zug belegt ist. Gute Argumente, um unrentable Linien zu reduzieren, zu schliessen, um zu sparen.

Man kann es kurz machen: Der Swisspass ist des Teufels. Er ist hassenswert. Oder um es in den Worten unserer PR-Freunde zu sagen: Wir orten etwas Verbesserungspotenzial in der Erfüllung unserer hohen Ansprüche.

Webauftritt gestaltet mit YAML (CSS Framework), Contao 3.5.27 (Content Management System) und PHPList (Newsletter Engine)

Copyright © 2006-2024 by grundrechte.ch