Zwangsmassnahmen in der Grauzone

14. Januar 2013

Deutlich höhere Asylbewerberzahlen befeuern Diskussionen zum Thema Ausschaffung

Von Beni Gafner, Bern, Basler Zeitung

«Es darf nicht weiterhin sein, dass sich Begleitpersonen und Polizisten von renitenten und kriminellen Auszuschaffenden schlagen, anspucken, beschimpfen und beissen lassen müssen.» Dies sagt SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz im Gespräch mit der BaZ. Der Berner Nationalrat begründet so seinen Vorstoss zum Thema Zwangsausschaffungen von abgewiesenen Asylbewerbern.

Laut dem Vorstoss, der im Einklang mit seiner Fraktion nächste Session eingereicht wird, sollen Ärzte gegen den Willen von Betroffenen Beruhigungsmittel spritzen dürfen, um so polizeilichen Zwang durchzusetzen. Bisher darf in diesem Spannungsfeld ein Arzt nur dann Tranquilizer spritzen, wenn eine «medizinische Indikation» vorliegt - wenn es also für die Gesundheit notwendig ist.

Rechtliche Grauzone

In den vergangenen acht Monaten hat der Bund 169 Personen zwangsweise ausgeschafft. In drei Fällen haben Begleitärzte der Oseara GmbH auf solchen Ausschaffungsflügen eine Beruhigungsspritze gesetzt - zur Vermeidung einer «Selbst- oder Fremdgefährdung», wie Gaby Szöllösy, Sprecherin des Bundesamts für Migration (BFM), in einem Artikel sagte. Die Firma ist derzeit in einem Pilotprojekt provisorisch zuständig für die medizinische Betreuung bei Zwangsausschaffungen.

Aufgrund der heutigen Gesetzeslage sind solche Zwangsspritzen für den Bund ein Problem und stossen entsprechend bei Jacques de Haller, dem Ex-Präsidenten der FMH und heutigen FMH-Delegierten in einem Forum für Zwangsrückschaffungen, auf Widerstand. Eine Aussprache zu diesem heiklen Thema hat gemäss der Zeitung «Le Temps» am 10. Dezember zwischen BFM-Direktor Mario Gattiker und Jean-Pierre Restellini stattgefunden. Restellini ist selber Arzt und zugleich Präsident der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF). Er fordert eine andere Lösung.

Im politischen Fokus stehen in diesem Zusammenhang Sonderflüge mit Personen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten und sich einer Rückschaffung physisch widersetzen. BFM-Sprecherin Szöllösy sagte dazu in der «Berner Zeitung»: «Wenn wir keine Sonderflüge durchführen dürften, würde dies möglicherweise als Signal verstanden, dass ein abgelehnter Asylentscheid keine Folgen hat.»

Gestiegene Asylzahlen

Die Diskussion zur Durchsetzung von Ausschaffungen erfolgt vor dem Hintergrund zuletzt massiv gestiegener Asylbewerberzahlen. Gut 28 600 Menschen haben 2012 in der Schweiz Asyl beantragt. Dies berichtete die NZZ am Samstag - zwei Wochen bevor der Bund seine offizielle Asylstatistik für das vergangene Jahr vorlegen will. Demnach wird die Marke von 30 000 Asylgesuchen aber nicht überschritten, wie vergangenes Jahr an verschiedenen Orten befürchtet worden war.

Trotzdem: Diese Zahl bedeutet eine Höchstmarke seit dem Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre, als noch Bundesrätin Ruth Metzler oberste Asylzuständige war. In die Höhe geschnellt sind die Zahlen 2012 auch im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling. Hinter Eritrea als Herkunftsland Nummer eins folgen Nigeria, Tunesien, Serbien, Afghanistan, Syrien und Mazedonien.

 

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