Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft
Medienmitteilung
Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) kommt in der sogenannten Spionageaffäre nach einer ersten Aktendurchsicht und, nachdem sie die Bundesanwaltschaft (BA) angehört hat, zum vorläufigen Schluss, dass die BA ihr Strafverfahren gegen Vertreter deutscher Steuerbehörden unabhängig vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eröffnet hatte. Zur Aufklärung allfälliger Verantwortlichkeiten lädt die AB-BA andere Aufsichtsbehörden zur engen Zusammenarbeit ein.
In Zusammenhang mit dem Fall "Daniel M." wurden verschiedene Vorwürfe diverser Akteure erhoben, die in unterschiedlicher Weise in die Vorgänge einbezogen sind und je ihre spezifischen Interessen verfolgen. Einzelne dieser Vorwürfe richten sich gegen die Bundesanwaltschaft (BA). Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft hat die Unterlagen der BA zu den Vorkommnissen im Zusammenhang mit D. M. beigezogen und bei der von ihr beaufsichtigten Behörde zusätzliche Auskünfte eingeholt. Sie wird die Unterlagen sorgfältig analysieren, bewerten und das Ergebnis ihrer Abklärungen zum gegebenen Zeitpunkt kommunizieren.
Festzuhalten ist, dass die AB-BA die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft ausübt. Für die Aufsicht über den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) oder die Bundeskriminalpolizei (BKP) sind andere Instanzen zuständig. Die AB-BA hat deshalb ausschliesslich das Verhalten der BA zu überprüfen und kann sich bei Ihrer Beurteilung und Würdigung nur auf Akten und Auskünfte der BA stützen.
Im Wesentlichen stehen bei den Abklärungen der AB-BA drei Aspekte im Vordergrund:
1. Hat die BA von Daniel M. erlangte Informationen für ihr Untersuchungsverfahren gegen drei Beamte der deutschen Steuerbehörden verwendet?
Eine erste Durchsicht der Akten zeigt, dass die BA ihre Ermittlungen wegen des Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst gegen drei Beamte der deutschen Steuerbehörden ohne Beteiligung oder Mitwirkung des Nachrichtendienstes aufgenommen hatte. Die Angaben im ersten Rechtshilfeersuchen der BA an die Generalstaatsanwaltschaft Nordrhein-Westfalen vom Dezember 2010 beinhalteten bereits die Namen und weitere Angaben zu den Verdächtigten. In einem Nachtragsbericht von September 2011 gab die BKP zwar ergänzende Hinweise zu den Personalien der drei Verdächtigten wie etwa Geburtsdaten, Zivilstand, Privatadressen. Diese Hinweise waren zur Vervollständigung der Akten dienlich, für die eigentlichen Zwecke der Strafverfolgung aber nicht relevant. Auch ergaben sich aus dem Nachtragsbericht der BKP für die BA keine Hinweise, dass diese Zusatzdaten beim NDB erhoben worden sein könnten.
2. Ist die BA in irgendeiner Weise in die Aktivitäten von Daniel M. involviert, die er für den Nachrichtendienst des Bundes ausgeübt haben soll?
Die Verhaftung von D. M. im Februar 2015 in der Schweiz im Rahmen eines Strafverfahrens der BA und der ihm gegenüber erhobene Tatvorwurf standen in keinem Zusammenhang mit dem Strafverfahren der BA gegen die drei Beamten der deutschen Steuerbehörden. Beim ersten Sachverhaltskomplex ging es um den Ankauf von Bankdaten der Kunden einer Schweizer Bank durch das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2009/2010. Das Strafverfahren gegen D. M. beruhte auf der Strafanzeige einer anderen schweizerischen Bank, welche sich auf das mögliche Auskundschaften der Daten ihrer Kunden namentlich im Jahr 2014 bezog. Erst im Zusammenhang mit der Festnahme von D. M. erhielt die BA Kenntnis davon, dass dieser für den Nachrichtendienst des Bundes tätig gewesen sein könnte.
Eine abschliessende Antwort auf diese Frage wird indessen erst nach entsprechenden Abklärungen bei der BKP und dem NDB möglich sein. Diese Abklärungen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der AB-BA, sondern werden von den für diese beiden Behörden zuständigen Aufsichtsgremien zu treffen sein.
3. Widerspricht das Vorgehen der BA bei der Gewährung des Akteneinsichtsrechts dem üblichen Standard?
Bei der Gewährung der Akteneinsicht an einen Mitbeschuldigten im Strafverfahren gegen D. M. geht es letztlich um eine Auslegungsfrage der Bestimmungen der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Über die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall haben die zuständigen Gerichte auf dem vorgesehenen Rechtsmittelweg zu entscheiden.
Die AB-BA möchte in allgemeiner Weise zu bedenken geben, dass dem Akteneinsichtsrecht der Parteien in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren ein sehr hoher Stellenwert zukommt. Hätte sich die BA entschlossen, die fraglichen Passagen im Protokoll zu schwärzen und damit den von D. M. dargestellten Einsatz für den NDB zu verheimlichen, hätte sie nicht nur die Parteirechte der Beschuldigten, sondern auch die Wahrheitsfindung massiv beeinträchtigt. Auch eine Schwärzung hätte D. M. im Übrigen nicht davon abhalten können, seine Beziehungen zum NDB nach erfolgter Anklageerhebung an der öffentlichen Gerichtsverhandlung vorzutragen.
Bei der Befragung von D. M. handelte es sich um eine formelle, nach den Regeln der StPO durchgeführte Einvernahme eines Beschuldigten. Die Aussagen erfolgten nach Belehrung über die dem Beschuldigten zustehenden Rechte, insbesondere über das Aussageverweigerungsrecht, und in Anwesenheit seines Verteidigers. Die allfälligen Kontakte zum Nachrichtendienst bildeten nicht Gegenstand der Befragung, sondern wurden von D. M. von sich aus, ohne entsprechenden Vorhalt und nach entsprechender Ergänzungsfrage der Verteidigung vorgebracht. Ein Hinweis auf private oder öffentliche Geheimhaltungsinteressen wurde weder von D. M. noch von Seiten NDB geäussert.
Die AB-BA unterstreicht, dass für alle in hängigen Strafverfahren Beschuldigte die Unschuldsvermutung gilt, was auch in den vorliegenden Strafverfahren der Fall ist.
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