Das geheime Wirken der Spione im Terrorfall

28. April 2014

Von Thomas Knellwolf. Tages Anzeiger

Dem Schweizer Geheimdienst ist Abhören im Inland untersagt. Er nutzt aber Daten ausländischer Dienste.

Überwachungstechniker und Agenten aus dem In- und Ausland spielen eine Schlüsselrolle im Verfahren gegen zwei kurdische Brüder, die ab heute vor dem Bundesstrafgericht stehen. Die Arbeit der Nachrichtendienste dürfte ein zentrales Prozessthema sein, doch allzu viel Licht ins Dunkel ist nicht zu erwarten. Die Bundesanwaltschaft hat zwar beantragt, zwei Spitzenleute des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) zu befragen. Doch weder Direktor Markus Seiler noch Vize Jürg Siegfried Bühler werden in den Zeugenstand treten. Das Bundesstrafgericht wies Anträge der Anklagebehörde ab, obwohl auch die Verteidigung die Begehren unterstützt hatte. Es könne ausgeschlossen werden, schrieb es, «dass die mit der Sache vertrauten Mitarbeiter des Dienstes mehr aussagen werden, als in Schriftform vorliegt».

Was vorliegt, sind gravierende, bislang unbekannte Vorwürfe: K. T., nun Hauptbeschuldigter, soll im Frühsommer 2007 fast täglich Kontakt zu einem Führer der al-Qaida im Irak gepflegt und sogar einen Anschlag besprochen haben. Mit einem weiteren Terroristenchef habe er sich über Ziele in Norwegen ausgetauscht. «Operativen Informationsaustausch» habe es zudem mit einem hochrangigen Logistiker der al-Qaida im Iran gegeben. Auch gab es Kontakte zum kurdischen Islamistenführer Mullah Krekar in Oslo.

All diese Informationen kann das Gericht nun nicht verwerten - weil der NDB sich weigert, seine Quellen offenzulegen. Geheimdienste schützen ihre Informanten. Auf Nachfrage der Strafverfolgung gab Direktor Seiler einzig preis, die Angaben beruhten auf «Mitteilungen von europäischen Partnerdiensten». Dies ist bemerkenswert: Dem NDB ist es verwehrt, in der Schweiz Telefongespräche abzuhören oder Internetkommunikation zu überwachen. Auch das Postgeheimnis gilt für den Nachrichtendienst.

Der NDB, unterstützt vom Bundesrat, will dies zwar ändern. Aber das neue Nachrichtendienstgesetz ist noch nicht einmal im Parlament. Somit gilt: Aushorchen dürfen in der Schweiz einzig Polizei und Staatsanwälte - sofern sie eine richterliche Genehmigung bekommen. Nun aber deutet vieles darauf hin, dass der NDB sich von Partnern in Europa mit Informationen zu Kommunikation aus der Schweiz bedienen lässt. K. T. hielt sich im Zeitraum, in dem Geheimdienste ihn überwachten, die meiste Zeit in Basel auf, wo er seit mehr als 15 Jahren lebt. Mit Norwegen, dem Iran und dem Irak verkehrte er per Telefon und Internet.

Aussage über Folter im Irak

Zur Strafuntersuchung war es gekommen, nachdem Agenten in Bern im Herbst 2007 versucht hatten, K. T. als Informanten anzuwerben - hartnäckig, aber erfolglos. Nur sechs Wochen später meldete der damalige Inland-Nachrichtendienst DAP der Bundeskriminalpolizei schwere Vorwürfe gegen K. T. Nachrichtendienst-Sprecherin Isabelle Graber sagt, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen Abblitzen und Anzeige: «Der Amtsbericht wurde erstellt, weil der NDB mittlerweile Informationen über mögliche strafbare Handlungen erlangte.» Die Anschuldigungen wie Anschlagspläne liessen sich allerdings in sechs Jahren Strafuntersuchung nicht erhärten. Angeklagt sind die Brüder wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation und anderer Vorwürfe, die sie bestreiten.

In einer Befragung hat K. T. erklärt, der Nachrichtendienst habe ihm mit dreierlei Konsequenzen gedroht, falls er nicht Informant werde: Seine Familie bekomme Probleme, er werde verhaftet und ausgeschafft. «Jetzt setzt der schweizerische Geheimdienst seine Drohung, die er mir gegenüber damals geäussert hat, öffentlich durch», sagte K. T. in der U-Haft. Seine Frau sei bei einem Besuch im Nordirak festgehalten worden. Der Geheimdienst der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) habe - so heisst es im Einvernahmeprotokoll - «einen Verwandten von mir festgenommen, ihn gefoltert und nach mir gefragt». Familienmitglieder hätten danach von einflussreichen DPK-Leuten erfahren, «dass der Geheimdienst eines europäischen Landes von ihnen verlangt, Informationen über K. T. zu sammeln».

 

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