Bundesrat Alain Berset
Bundeshaus West
3003 Bern
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Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das nationale System zur Abfrage von Adressen natürlicher Personen (Adressdienstgesetz, ADG); Vernehmlassungsfrist 22. November 2019
Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset
Sehr geehrte Damen und Herren
Gerne nehmen wir hiermit Stellung zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das nationale System zur Abfrage von Adressen natürlicher Personen.
Einleitung
Das neue Bundesgesetz über das nationale System zur Abfrage von Adressen natürlicher Personen hat einen engen Bezug zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden), deren Botschaft am 30. Oktober 2019 veröffentlicht wurde. In der Stellungnahme vom 21. Februar 2019 zu dieser Änderung des AHV-Gesetzes hat sich grundrechte.ch klar gegen eine breite Verwendung der AHV-Nummer ausgesprochen, und daran halten wir fest. In Konsequenz lehnen wir auch die hier zur Debatte stehende Vorlage ab. Sie würde noch weiter gehen als die aktuelle Revision des AHV-Gesetzes.
Wir sind befremdet darüber, dass der Bundesrat vor allem die eindringlichen Warnungen von vielen Datenschutzbeauftragten, die unbestrittenermassen ein fundiertes Fachwissen aufweisen, nicht ernst nimmt, auch aus finanziellen Gründen, weil sich Kantone und Gemeinden ökonomische Ersparnisse erhoffen.
Es mag wohl sein, dass ein zentrales Personenregister gewisse Abläufe erleichtern kann, wenn auch viele der genannten Beispiele rein monetärer Natur sind, z. B. die Zustellung von Rechnungen, Mahnungen und Zahlungsbefehlen durch Behörden, Erhebung ausserkantonaler Schulgelder, lückenlose Erhebung von Wehrersatzpflichtabgaben über Kantonsgrenzen hinweg und viele andere.
Der vom Bundesrat mit eigenen Annahmen auf den Seiten 9 und 10 des Berichts errechnete Nutzen von knapp 6.5 Millionen Franken jährlich, also rund 75 Rappen pro Einwohner, ist aber marginal. Dazu ist es nicht notwendig, die für die Sozialversicherung geschaffene AHV-Nummer zu verwenden. Alle Vorteile für Verwaltungen, wie der Wegfall der manuellen Bearbeitung von Daten oder ein unkompliziert automatisierter Datenfluss zwischen den Behörden, können mit gleichem Aufwand auch durch sektorielle Identifikatoren erreicht werden. Der Schutz der Privatsphäre darf und muss etwas kosten, Kosteneinsparungen zu Lasten von Intimität und Persönlichkeitsrechten können nicht hingenommen werden.
Datenschutzbehörden sehen Risiken
Datenschutzbehörden von Bund und Kantonen warnen davor, dass die Verwendung der AHV-Nummer auch ausserhalb des Sozialversicherungsbereichs als Identifikator mit erheblichen Datenschutzrisiken verbunden ist. Diese Warnungen sind unbedingt ernst zu nehmen.
Das am 19. September 2017 vom Nationalrat angenommene Postulat 17.3968 der RK-NR («Sicherheitskonzept für Personenidentifikatoren») verpflichtet den Bundesrat aufzuzeigen, wie der Datenschutz bei der Verwendung von Personenidentifikationsnummern durch Kantone, Gemeinden und Dritte verbessert werden kann. Diese Verpflichtung würde obsolet, wenn alle anderen Personenidentifikationsnummern durch die AHV-Nummer abgelöst würden, was aber klar nicht der Sinn dieses Postulats ist.
Verharmlosung der Risiken
Zur bereits angesprochenen Änderung des AHV-Gesetzes schrieb der Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage unter dem Titel «Inhalt der Vorlage»: «Die vorgeschlagene Erweiterung der systematischen Verwendung der AHVN führt nicht dazu, dass die Verwundbarkeit der Informationssysteme von Bund, Kantonen, Gemeinden oder anderen ermächtigten Nutzern oder die Missbrauchsrisiken steigen. Die Vorlage beschränkt sich darauf, das bisherige Erfordernis einer spezifischen gesetzlichen Grundlage für jede zusätzliche systematische Verwendung der AHVN durch eine generelle gesetzliche Berechtigung für die Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden und für bestimmte Institutionen zu ersetzen». Noch bevor die Botschaft zur Änderung des AHV-Gesetzes vorliegt, wird also bereits die nächste Vorlage in die Vernehmlassung gegeben, eine Vorlage, welche alle Schranken aufhebt und Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Bundesrat sieht Abhilfe
Auf Seite 17 des Berichts schreibt der Bundesrat: «Der vorliegende Vorschlag basiert auf der Annahme, dass eine erweiterte Verwendung der AHVN durch Behörden bis Inkrafttreten des Adressdienstgesetzes rechtlich verankert sein wird.» Sollte die erweiterte Verwendung der AHVN durch Behörden vom Parlament abgelehnt werden, wäre der vorliegende Entwurf zum Adressdienstgesetz obsolet.
Leider wurde unsere Kritik an der bereits erwähnten Änderung des AHV-Gesetzes nicht berücksichtigt, wir verzichten daher auf eine detaillierte Kritik zur aktuellen Vorlage, die weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015–2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016 über die Legislaturplanung 2015–2019 enthalten ist, und die ohne ausdrückliche Verfassungsgrundlage erlassen werden soll.
Mit freundlichen Grüssen
Viktor Györffy, Präsident grundrechte.ch
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