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Jahresrückblick 2009

12. Januar 2010

Eine Gesamtübersicht über die von grundrechte.ch bearbeiteten Themen findet sich auf der Website www.grundrechte.ch. Die aus unserer Sicht wichtigsten Themen im 2009 waren:

Biometrischer Pass

Das erste Quartal 2009 stand ganz im Zeichen der Abstimmung zum biometrischen Pass. Einzelne Vorstandsmitglieder sind an diversen Veranstaltungen aufgetreten oder haben sich in lokalen Abstimmungskomitees engagiert. Zudem hat grundrechte.ch eine eigene Abstimmungsseite ins Web gestellt: www.biopass-nein.ch. Die Ablehnung der Vorlage wurde mit 49.9% äusserst knapp verfehlt – dank fragwürdiger Propaganda von fedpol und dem EJPD. Immerhin hat der Nationalrat entschieden, dass aufgrund des knappen Abstimmungsresultats auf die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke verzichtet werden und eine ID ohne biometrische Daten weiterhin erhältlich sein soll. Der Ständerat muss in diesem Jahr diesem Ansinnen aber noch zustimmen.

Beschwerde gegen neues Berner Demonstrationsrecht

Gegen den Willen der Exekutive (Gemeinderat) hat der Stadtrat beschlossen, Demonstrationen in Bern grundsätzlich nur noch als Platzkundgebungen zu bewilligen. Dieser Beschluss wurde von einer breiten Koalition (grundrechte.ch ist mit dabei) angefochten und erstinstanzlich aufgehoben. Der Gemeinderat hat im September 2009 dagegen rekurriert, ein Entscheid des Verwaltungsgerichts ist ausstehend.

Beschwerden gegen Hooligan-Konkordat

Am 15. November 2007 hat die Polizeidirektorenkonferenz ein Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen verabschiedet. Damit sollen Massnahmen wie Rayonverbot, Meldeauflage und Polizeigewahrsam ab 1. Januar 2010 auf der Stufe des kantonalen Rechts weitergeführt werden. Neben der Übernahme der bundesrechtlichen Regelungen aus dem BWIS (Hooligan-Gesetz) wurden auch Teile aus der Verordnung VWIS übernommen und zwei Neuerungen eingeführt (Empfehlung von Stadionverboten und das Verbot des Mitführens von pyrotechnischen Gegenständen auf dem Hin- und Rückweg zu Sportanlässen). Gegen den Konkordats-Beitritt der Kantone Tessin, Luzern und Zürich wurden Beschwerden beim Bundesgericht erhoben. Im Januar 2010 folgen noch Beschwerden in Basel-Landschaft und Basel-Stadt. Aktualisierte Informationen finden sich unter www.referendum-bwis.ch

Spezielle Datenbank GAMMA in der Stadt Zürich

Die Stadtpolizei Zürich kann seit 1. Januar 2010 Sportfans, die im Umfeld einer Sportveranstaltung als «Gewalt suchend» eingestuft werden, registrieren. Es ist zu befürchten, dass das Tragen von Fankleidung ausreicht, um in einer separaten Datenbank erfasst zu werden. Diese neue Form der Fichierung und die damit verbundene Praxis der Stadtpolizei muss kritisch beobachtet und gegebenenfalls durch Beschwerden korrigiert bzw. verhindert werden.

Beschwerde gegen Zürcher Polizeigesetz teilweise gutgeheissen

Die Beschwerde der Demokratischen JuristInnen Zürich wurde in zwei wichtigen Punkten gutgeheissen: Komplett streichen muss der Kanton Zürich die Bestimmungen über Videoüberwachung. Diese seien viel zu vage und ohne Einschränkungen formuliert, befand das Bundesgericht. Auch beim polizeilichen Gewahrsam gingen die Richter mit den Beschwerdeführenden einig: Der Gewahrsam (nicht zu verwechseln mit Untersuchungshaft) wird zwar nach 24 Stunden ohnehin aufgehoben, der Kontakt zum Haftrichter muss gemäss Bundesgericht aber jederzeit möglich sein. Im Zürcher Polizeigesetz war dieser Kontakt nicht vorgesehen, was laut Urteil gegen die Bundesverfassung verstösst. In diesem Punkt muss das Polizeigesetz nachgebessert werden.

GSoA gewinnt vor Bundesgericht gegen St. Gallen

Die Stadt St. Gallen darf für Unterschriftensammlungen in mobilen Kleingruppen von weniger als drei Personen in der Fussgängerzone keine Bewilligung mehr verlangen und auch keine zeitlichen Einschränkungen mehr erlassen. Das kantonale Justiz- und Polizeidepartement hatte eine Beschwerde der GSoA gutgeheissen, die Stadt St. Gallen hat den Entscheid ans Bundesgericht weitergezogen und ist abgeblitzt.

Private Schnüffeleien gehen weiter

Nachdem schon Nestlé und Securitas bei ATTAC und der Antirep-Gruppe GAR spionierten, hat im Vorfeld der Abstimmung vom 29. November auch die PR-Agentur Farner ein Strategietreffen der GsoA ausgehorcht. Das Strafverfahren gegen die Nestlé/Securitas-Schnüffler bei ATTAC wurde leider eingestellt.

Staatsschutzgesetz BWIS II: Ausbau des Schnüffelstaats vorläufig gestoppt

Das BWIS II wird zum Dauerbrenner. National- und Ständerat sind unserer Kritik gefolgt und haben die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen: Sowohl die Telefonüberwachung ohne konkreten Verdacht als auch die geheime Ausspionierung von Computern und das Aushorchen privater Räumlichkeiten verlange nach vertiefteren Abklärungen. Der Aufruf gegen die Verschärfung des Staatsschutzgesetzes auf unserer Webseite wurde bisher von über 500 Einzelpersonen unterzeichnet. Der Aufruf zur Unterzeichnung bleibt weiterhin aktuell, denn eine überarbeitete Vorlage soll voraussichtlich 2013 ins Parlament kommen. Allerdings ist nun unklar, ob die angekündigte Verbesserung des Einsichtsrechts in Staatsschutzakten auch so lange auf sich warten lässt. Seit Januar sind polizeilicher und militärischer Nachrichtendienst im VBS (Bundesrat Ueli Maurer) zusammengelegt. Zudem warten wir seit über einem Jahr auf die Resultate der Untersuchung der 118'316 Fichen (Oktober 2009) durch die Geschäftsprüfungs-Delegation GPDel.

Big Brother Awards

Am 24. Oktober wurden in Zürich zum zehnten Mal die Big Brother Awards, welche von grundrechte.ch mitorganisiert werden, verliehen. Würdige Preisträger waren der Dienst "Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr" ÜPF (geheime Weisung für Echtzeitüberwachung Internetverkehr), die Swisscom (Zugriff auf WLAN- und Routerdaten „dank“ Verwaltungszwang) und die Berufsbildungsschule Winterthur (Aufruf zur Überwachung und Denunziation der SchülerInnen). Gewinner des Publikumspreises wurde die Studentengewerkschaft CUAE, die sich erfolgreich gegen die fremdenpolizeiliche Kontrolle von ausländischen Studenten innerhalb der Uni wehrte. Alle Informationen über Nominierte und Sieger sowie Bildmaterial zur Preisveleihung unter www.bigbrotherawards.ch

Ausblick 2010

Dieses Jahr werden uns neben der weiterlaufenden Kampagne gegen die Staatsschutzgesetz-Verschärfung zahlreiche weitere Themen intensiv beschäftigen:

- ein mögliches Referendum gegen das Transportpolizeigesetz (Bahnpolizei)

- die elektronische Patientenkarte im Gesundheitswesen

- ein verbessertes Einsichtsrecht in Staatsschutzakten

- das Ergebnis der GPDel über die bisherigen 110,000 Fichen

- das neue Bundesgesetz über die polizeilichen Aufgaben des Bundes

- Beteiligungszwang (unter Androhung von Busse) bei der eidg Arbeitskräfteerhebung des Bundesamtes für Statistik

- Wegweisungspraxis bzw. Einschränkung des öffentlichen Raums (Videokameragesetze) in diversen Städten und Gemeinden

- verschiedene Themen aus dem Umfeld von Sportveranstaltungen (Auswüchse unter dem Titel «Sicherheit im Sport», z. B. Fancard, biometrische Zuschauererkennung, überwachte Anreise zu Auswärtsspielen sowie die Umsetzung der GAMMA-Datenbank).

 

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