Automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung

16. November 2012

Von der Sach- zur Personenfahndung

Seit mehreren Jahren arbeitet das Grenzwachtkorps mit Kameras, die Fahrzeugnummern automatisch erkennen. Das System heisst «Automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung» (AFV). Die erfassten Daten werden mit Ripol abgeglichen, um als gestohlen gemeldete Fahrzeuge zu erkennen. Diese Geräte werden nur für die Sachfahndung eingesetzt, nicht aber zur Personenfahndung.

Mehrere Kantone betreiben ebenfalls AFV, um gestohlene Fahrzeuge zu identifizieren.

Seit Januar 2011 werden bei der «Abschnittgeschwindigkeitskontrolle», welche die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer längeren Strecke ermittelt und bei Übertretung der Höchstgeschwindigkeit blitzt, ebenfalls Kameras, die Fahrzeugnummern automatisch erkennen, eingesetzt.

Sowohl bei der AFV und der Abschnittgeschwindigkeitskontrolle werden gescannte Autonummern sofort gelöscht, wenn kein Treffer in Ripol oder keine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wird.

In verschiedenen Kantonen gibt es aber Bestrebungen, AFV als universelles Fahndungsinstrument einzusetzen. In Basel-Stadt wird darüber nachgedacht, AFV zur Eintreibung von offenen Verkehrsbussen von Fahrern mit Wohnsitz im Ausland einzusetzen. Im Kanton Basel-Landschaft existiert bereits ein Gesetzesentwurf, welcher in § 45f folgendes vorsieht:

Automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung

1 Die Polizei Basel-Landschaft kann Kontrollschilder von Fahrzeugen automatisiert erfassen und mit Datenbanken abgleichen.

2 Der automatisierte Abgleich ist zulässig:

a. mit polizeilichen Personen- und Sachfahndungsregistern;

b. mit durch die Polizei Basel-Landschaft erstellten Listen von Kontrollschildern von Fahrzeugen, deren Halterinnen oder Halter der Führerausweis entzogen oder verweigert worden ist;

c. mit konkreten Fahndungsaufträgen der Polizei Basel-Landschaft.

3 Die automatisch erfassten Daten werden wie folgt gelöscht:

a. sofort in den Fällen ohne Übereinstimmung mit einer Datenbank;

b. im Falle einer Übereinstimmung mit einer Datenbank gemäss den Bestimmungen des betreffenden Verwaltungs- oder Strafverfahrens.

Statt nur zur Sachfahndung soll AFV nun auch zur Personenfahndung eingesetzt werden.

Das Deutsche Bundesverfassungsgericht hat am 11. März 2008 im Verfahren «BVerfGE 120, 378 - Automatisierte Kennzeichenerfassung» folgendes erkannt:

1. Eine automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand greift dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein.

2. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage richten sich nach dem Gewicht der Beeinträchtigung, das insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der Verwertung der Daten beeinflusst wird.

3. Die blosse Benennung des Zwecks, das Kraftfahrzeugkennzeichen mit einem gesetzlich nicht näher definierten Fahndungsbestand abzugleichen, genügt den Anforderungen an die Normenbestimmtheit nicht.

4. Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Massnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein.

Im Lauf der Jahre wurden die Autonummern-Scanner in der Schweiz stetig ausgebaut, ohne dass dies Wellen geworfen hätte. Am 1. November 2015 berichtete das «Tagblatt» darüber.

 

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