Fragwürdige Rayonverbote in Bremgarten

5. August 2013

Seit 1994 können durch das damals neu eingeführte Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht Ein- und Ausgrenzungen, im Volksmund Rayonverbote genannt, gegen Personen, welche keine Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzen, verfügt werden. Heute ist diese Regelung in Art. 74 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer zu finden. Eine Ein- oder Ausgrenzung kann nur gegen einzelne Personen angeordnet werden, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören oder gefährden. Gegen eine deratige Verfügung muss ein Rechtsmittel möglich sein.

Das Bundesamt für Migration (BFM) hat in Nottwil LU und in Bremgarten AG in Eigenregie entschieden, dass ab sofort Rayonverbote möglich sein sollen, die erstens nicht an einen einzelnen Störer, sondern an alle Asylsuchenden gerichtet sind, welche zweitens auch nicht mit einer Verfügung ausgesprochen werden, und welche somit drittens auch keinem Rechtsmittel unterliegen. Diese einfältigen Rayonverbote ohne Rechtsgrundlage sollen durch die Hausordnungen von Asylunterkünften wirksam werden.

Anfang August 2013 hat Augenauf Zürich mit einem offenen Brief an Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga auf diesen Missstand aufmerksam gemacht.

Nachdem die Story mit dem präventiven Ausschluss aller Asylbewerber von der Badeanstalt und anderen Örtlichkeiten europaweit für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am 9. August 2013: «Es gibt kein allgemeines, präventives Badi-Verbot. Dafür gibts keinen Grund und keine rechtliche Grundlage» und «Die Grundrechte gelten für alle und sind nicht verhandelbar.»

Allerdings lautet Art. 5 der Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Einwohnergemeinde Bremgarten «Das BFM verpflichtet sich, zu kontrollieren und durchzusetzen, dass sich die Asylsuchenden an die Hausordnung und die übrigen Massnahmen der Betreuungsfirma und der Verantwortlichen für die Sicherheit halten. Das BFM deklariert Massnahmen und setzt diese durch.» sowie Art. 10 «Das BFM bestätigt, dass auf Wunsch der Stadt Bremgarten hin, von Montag bis Freitag, 0700 bis 1800 Uhr, das Betreten der Schul- und Sportanlagen (gemäss Beilage) ohne Zustimmung der zuständigen Behörden nicht erfolgt. Das BFM wird die betroffenen Perimeter in die Hausordnung aufnehmen.»

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Die Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Einwohnergemeinde Bremgarten ist sofort aufzuheben, und die Einschränkungen sind aus der Hausordnung zu streichen. Zudem ist zu prüfen, ob Personen, welche derartige Verträge aushandeln, weiterhin auf der Lohnliste des Bundes geführt werden sollen.

In Nottwil LU war in der ersten Jahreshälfte 2013 bereits eine Asylunterkunft mit einer vergleichbaren Hausordnung wie in Bremgarten in Betrieb. Zwar wurde auch dort Kritik laut, aber sie hat es nicht in die nationalen und internationalen Medien geschafft.

In Alpnach OW wird am 19. August 2013 ebenfalls ein Bundeszentrum für Asylbewerber eröffnet, bei welchem Sperrgebiete geplant waren. Aufgrund der internationalen Kritik am Regime von Bremgarten hat der Bund aber, sehr zum Ärger von lokalen Politikern, diese Einschränkungen noch vor der Eröffnung gestrichen.

Am 20. August 2013 hat das Bundesamt für Migration neben der Vereinbarung mit der Gemeinde Alpnach betreffend die Asylunterkunft auch ein allgemeines FAQ zu temporären Asylunterkünften des Bundes veröffentlicht. Gemäss diesem Merkblatt gibt es in keiner Asylunterkunft des Bundes Rayonverbote oder Sperrzonen, wohl aber sensible Zonen wie z. B. Schulen. Diese sensiblen Zonen sind aber nach Angaben des BFM für die ganze Bevölkerung nur eingeschränkt nutzbar.

Besucher von Sportveranstaltungen, welche als zweite Gruppe nach den Asylsuchenden mit Rayonverboten beglückt wurden, dürfen bald von einem ähnlichen Vorgehen seitens der KKJPD profitieren: Mit der Revision des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen sollen ebenso alle rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord geworfen werden: Statt mit einer Hausordnung sollen mit einer Bewilligung von Sportveranstaltungen alle Rechte der Besucher ausgehebelt werden, indem etwa die Anreiseroute vorgegeben oder eine Ausweispflicht verordnet wird. Die erste derartige Massnahme wurde von der Neuenburger Polizei für das Cup-Spiel Xamax gegen Aarau vom 18. August 2013 ausgesprochen. Die Folge war, dass wegen der rigorosen Auflagen weder ein Extrazug noch eine Busfahrt organisiert wurde. Und dies wegen eines Cup-Spiels der ersten Runde, welches von 4,119 Zuschauern besucht wurde.

 

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