Wer Bier mitbringt, muss gehen

22. Juni 2012

Von Lucienne-Camille Vaudan, Tages Anzeiger

Regelmässig patrouilliert die Stadtpolizei durch die Zürcher Bäckeranlage. Dort greift sie hart durch. Die Ordnungshüter bestreiten aber, dass sie es nur auf Randständige abgesehen hätten.

Es ist früher Nachmittag in der Bäckeranlage. Kinder spielen im Planschbecken, Berufstätige bestellen ihr Mittagessen im Restaurant, ein paar junge Leute werfen Holzklötze – ein schwedisches Spiel. Andere liegen einfach in der Sonne, manche trinken ein mitgebrachtes Bier. Ein paar Randständige sitzen auf den Bänken des Parks.

Ein Leser von Tagesanzeiger.ch/Newsnet beobachtet, wie die Polizei wie so oft durch die Anlage patrouilliert. Die Ordnungshüter sprechen einen Mann an, der nicht weit von ihm sitzt. Unvermittelt fordern die Polizisten den Mann auf, die Bäckeranlage zu verlassen. «Er hatte eine Bierdose in der Hand, es war vielleicht nicht sein erstes Bier. Aber ansonsten hat er sich nicht auffällig benommen. Er sass einfach da», erinnert sich der Leser an die Szene.

Auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnet sagt Polizeisprecher Marco Cortesi: «Wenn wir sehen, dass Alkohol und Drogen im Spiel sind, weisen wir die Leute weg.»

Rayonverbot für eigenes Wohnquartier

Knapp zwei Wochen später erhielt ein Mann, der sich ebenfalls in der Bäckeranlage aufhielt, sogar ein 24-stündiges Rayonverbot für den gesamten Kreis 4. Gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet sagt er, er wisse nicht genau, warum. «Ich habe nur mein Bier getrunken.» Er wohne im Kreis 4. «Wie soll ich mich denn so an das Rayonverbot halten können?» Der Mann zückt ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Hosentasche. Eine dicke rote Linie kennzeichnet die Grenzen des Quartiers auf dem schwarz-weissen Stadtplan und zeigt damit an, wo er sich nicht aufhalten darf.

Den Vorwurf, die Polizeipatrouillen würden explizit Randständige aus der Bäckeranlage vertreiben, weist Cortesi vehement zurück: «Die Bäcki ist für alle da.» Die Stadtpolizei gehe nie willkürlich vor. «Jeder, der mit einer Bierkiste in den Park kommt, würde einen Verweis erhalten.» Diesen spricht die Polizei aufgrund der neuen Polizeiverordnung aus, die seit Anfang Jahr in Kraft ist. Damit haben die Ordnungshüter ein Instrument erhalten, das ihnen erlaubt, Platzverweise präventiv auszusprechen.

In der Bäckeranlage, einer der raren Grünanlagen des Kreis 4, finden oft auch kleinere Grillpartys und improvisierte Aperitife mit selbstmitgebrachtem Alkohol statt. Das lässt die Polizei offenbar zu. «Wenn ein paar junge Leute am Abend zusammensitzen und Bier trinken, haben wir nichts dagegen. Aber dass tagsüber in der Nähe vom Kinderspielplatz Alkohol konsumiert wird, akzeptieren wir nicht.»

«Im Moment haben wir keine Probleme in der Bäckeranlage»

Die Polizei versuche so zu verhindern, dass sich die Drogenszene erneut im Park einnisten kann. Ab und zu schnüffelt auch der Polizeihund durch die Bäckeranlage, mit seiner feuchten Schnauze immer auf der Suche nach einem Drogenversteck. Meist findet er jedoch lediglich Jointstummel.

«Im Moment haben wir keine Probleme in der Bäckeranlage», sagt Cortesi. Damit das so bleibt, will die Polizei weiterhin starke Präsenz zeigen. «Mit diesen Massnahmen stellen wir sicher, dass sich Mütter und Kinder auch wohlfühlen.»

Selbstverständlich dürfe der Mann, der sich gemäss Angaben der Stadtpolizei wegen «übermässigem Alkoholkonsum» einen Tag und eine Nacht vom Kreis 4 fernhalten sollte, auf direktem Weg zu seiner Wohnung oder zum Arbeitsplatz gelangen. «Selbst rasch einkaufen gehen, ist kein Problem», sagt Cortesi.

 

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