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Jahresrückblick 2010

31. Dezember 2010

Das vergangene Jahr aus der Sicht von grundrechte.ch

Neue E-Versichertenkarte

Seit Januar 2010 ist ein neuer Krankenversichertenausweis obligatorisch. Die Karte enthält einen Chip, auf dem wie bisher administrative Kundendaten und neu Angaben wie Blutgruppe oder Impfungen gespeichert werden können. grundrechte.ch steht diesem neuen Versichertenausweis kritisch gegenüber. Er ist der erste Schritt zu E-Health. Sämtliche relevanten Versichertendaten wie Krankengeschichte, Röntgenbilder, Laborbefunde etc. sollen bis zum Jahr 2015 rund um die Uhr online abrufbar sein. Eine «Packungsbeilage» zur Eversichertenkarte mit nützlichen Tipps sowie die Informations-Seite https://krankenversicherungskarte.ch/ wurden bereitgestellt.

20 Jahre Protest gegen den Schnüffelstaat

Am 3. März 2010 jährte sich die Protestkundgebung gegen den Schnüffelstaat, die damals schweizweit bisher grösste Demonstration überhaupt, zum zwanzigsten Mal. Sie war der Auftakt zu zahlreichen Aktionen im Zuge des Fichenskandals: Der Bundesrat musste sich diesem öffentlichen Druck beugen und auf die Aktenvernichtung verzichten. Über 350,000 Leute verlangten Einsicht in ihre Fichen.

Im Auftrag von grundrechte.ch realisierte Tele G darüber eine rund 50-minütige Dokumentation. Zum Einstieg zeigt eine Strassenumfrage, woran sich die Leute heute noch erinnern. Anschliessend wird auf die Ereignisse zurückgeblendet, und die Vorgänge werden aus heutiger Sicht analysiert.

Parallel dazu hat grundrechte.ch eine Chronologie über die wichtigsten Ereignisse seit dem Fichenskandal im Bereich Staatsschutz, Geheimdienste, Überwachung und Fichierung herausgegeben. Ausgehend vom Telefonat von Elisabeth Kopp vom 27. Oktober 1988 mit ihrem Ehemann Hans W. Kopp werden die wichtigsten Ereignisse bis März 2010 aufgelistet.

Beide Dokumentationen wurden an unserer Mitgliederversammlung am 8. April 2010 in Bern vorgestellt und können weiterhin auf dem Sekretariat bestellt werden.

Neues Polizeiaufgaben-Gesetz des Bundes

Das Bundesamt für Polizei will mehr Kompetenzen beim Überwachen, Aushorchen und Kontrollieren. Ohne konkreten Tatverdacht sollen Personen in der Öffentlichkeit überwacht, gefilmt oder abgehört werden. Private Spitzel sollen angeworben und auch bezahlt werden können. Eine richterliche Genehmigung soll nicht erforderlich sein, lediglich eine Bewilligung durch den fedpol-Direktor wäre nötig. Alle diese Begehren wurden vom Parlament mit der Rückweisung von BWIS II abgelehnt. grundrechte.ch hat sich am Vernehmlassungsverfahren beteiligt und den Entwurf scharf kritisiert.

Bundestrojaner und Ortungsgeräte

Das erst 10 Jahre alte Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) soll erweitert werden. Neben der Verdoppelung der Dauer der Vorratsdatenspeicherung von 6 auf 12 Monate und der Ausdehnung der Speicherungspflicht auf Internetprovider sollen neu alle Internetbenutzer, z. B. Gäste in Hotels oder Internetcafes, registriert werden. Ganz deftig sind das verdeckte Einschleusen von Spionageprogrammen in private Computer und der Einsatz von Ortungsgeräten, welche alle Mobiltelefone in der Nähe registrieren können. In der Vernehmlassungsantwort verlangt grundrechte.ch, dass die BÜPF-Revision ganz abgeblasen wird.

200,000 neue Fichen

Am 21. Juni 2010 hat die GPDel endlich den Bericht zur Datenbearbeitung im Staatsschutzinformationssystem ISIS vorgelegt. Der Nachrichtendienst hat jahrelang die vorgeschriebene Pflege der Staatsschutz-Datenbank vernachlässigt. Dafür sammelte er laufend neue Einträge: Mitte 2010 waren 200,000 Personen und Ereignisse registriert. Aufgrund dieses zweiten Fichenskandals hat grundrechte.ch dazu aufgerufen, Einsichtsgesuche in die Staatsschutzakten zu stellen und auf der Webseite Musterbriefe bereitgestellt.

BWIS II «light»

Der Bundesrat hat am 27. Oktober 2010 auf Antrag von Ueli Maurer die Botschaft zur Teilrevision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) verabschiedet. Es handelt sich um eine überarbeitete Version des Gesetzesentwurfs, der im Frühjahr 2009 vom Parlament an den Bundesrat zurückgewiesen worden war, weshalb das Geschäft ohne Vernehmlassung ins Parlament kommt. Auf die in der ursprünglichen Botschaft enthaltenen besonderen Mittel der Informationsbeschaffung wurde verzichtet, diese sollen später eingeführt werden. Einwohner sollen neu direkt Einsicht in Staatsschutzakten nehmen können, allerdings könnte der Nachrichtendienst die Einsicht verweigern. Die Artikel 8 und 9 des Datenschutzgesetzes kommen zur Anwendung. Nicht akzeptabel ist für grundrechte.ch die vorgesehene Verrechtlichung von Tarnidentitäten. Praktisch bedeutet dies, dass die Zuhilfenahme und Entlöhnung privater Spitzel insgesamt als rechtlich unbedenklich gelten soll und dies im weiten Vorfeld einer möglichen Straftat, also ohne eigentlichen Straftatverdacht. Viel zu weit geht ferner die vorgesehene gesetzliche Auskunftsverpflichtung von Transportunternehmungen oder Institutionen, die im öffentlichen Auftrag arbeiten, wozu auch Schulen, Universitäten, Spitäler etc. gehören. grundrechte.ch hat bereits bei der Vernehmlassung zum BWIS II die Möglichkeit des Verbots von Organisationen und deren Tätigkeiten kritisiert und forderte das Parlament mit einer Medienmitteilung auf, diese vorgesehene Regelung ersatzlos zu streichen.

Teilrevision Alkoholgesetz

In der Vernehmlassungsantwort zur geplanten Revision des Alkoholgesetzes hat sich grundrechte.ch gegen die Legalisierung von Testkäufen, welche verdeckte Ermittlungen darstellen, ausgesprochen. Ebenso wurden unverhältnismässig hohe Bussen bis 40,000 Franken für Bagatelldelikte kritisiert.

Arbeitskräfteerhebung 2009

grundrechte.ch hat den Teilnahmezwang an der Arbeitskräfteerhebung 2009 vor einem Jahr scharf kritisiert. Die parlamentarische Initiative «Keine Ausweitung der obligatorischen Auskunftspflicht bei statistischen Erhebungen des Bundes» will einem Teilnahmezwang den Riegel schieben. grundrechte.ch begrüsst diese Verbesserung in der Vernehmlassungsantwort.

Identitätskarten auch weiterhin ohne Datenchip

Als minimales Positivresultat des Referendums gegen biometrische Ausweise darf vermeldet werden, dass Identitätskarten auch weiterhin ohne Datenchip abgegeben werden sollen. Diese Gesetzesänderung wird in der Vernehmlassungsantwort von grundrechte.ch begrüsst.

 

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