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Jahresrückblick 2014

15. Januar 2015

Staatsschutz

Im Rahmen der Mitgliederversammlung vom 3. April 2014 hat grundrechte.ch eine gut besuchte öffentliche Podiumsdiskussion zum neuen Nachrichtendienstgesetz unter der Leitung von Markus Hofmann (Redaktor NZZ) organisiert. Es diskutierten die Nationalräte Daniel Vischer (Grüne Schweiz), Andy Tschümperlin (SP Schweiz) und Roland Fischer (GLP Schweiz). Heikle Punkte wie die Kabelaufklärung oder die Transparenz der Genehmigung von geheimen Überwachungsmassnahmen wurden in einer angeregten Diskussion beleuchtet. Als Werbetool wurden Bierdeckel mit einem «Angry Bird»-Motiv verteilt. Zudem war grundrechte.ch mit einem Info-Stand an der Delegiertenversammlung der JUSO Schweiz in Basel sowie am Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes in Bern präsent.

Die vom Bundesrat im Februar 2014 verabschiedete Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz (NDG) entspricht erwartungsgemäss ohne grosse Abweichungen dem Entwurf, welcher von grundrechte.ch im Detail kritisiert worden ist. Insbesondere sind Telefon- und Kabelüberwachung, das geheime Einpflanzen von Trojanern und das Eindringen in und Abhören von Wohnungen sowie die enge Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden weiterhin im Gesetzestext enthalten. Die Vorlage war für die Wintersession 2014 im Nationalrat (Erstrat) traktandiert. Sie wurde aus Zeitgründen auf voraussichtlich März 2015 verschoben.

Telefonüberwachungs-Gesetz / Vorratsdatenspeicherung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 8. März 2014 die umstrittene EU-Verordnung zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt (Rechtssachen C-293/12 und C-594/12). Die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten ohne konkreten Anlass sei ein gravierender Eingriff in die Grundrechte der Bürger und verletze das Recht auf Datenschutz und Achtung des Privatlebens.

Ungeachtet dieses Entscheids hat der Ständerat im März 2014 als Erstrat die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) praktisch kritiklos durchgewunken. Fast die Hälfte der SchweizerInnen lehnt die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich ab, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Link im September 2014 zeigte.

Am 26. Mai 2014 hat sich in Olten eine breite Koalition kritischer Organisationen aus den Bereichen Politik, IT und Telecom getroffen, um zu diskutieren, wie die Ausweitung der Überwachung verhindert werden kann. Die Runde, darunter grundrechte.ch, war sich einig, dass diese Gesetzesrevision mit einem Referendum bekämpft werden muss. Im Anschluss an diese Sitzung haben Vertreter der Juso, der Jungen Grünen, der PdA und grundrechte.ch zusätzlich ein linkes Gegenkomitee gegründet. grundrechte.ch nimmt an den Sitzungen beider Gremien teil. Auf Einladung der JUSO, Unia und Piratenpartei Oberwallis wurde am 26. September 2014 der Vortrag «Wer BÜPF’t mich denn da?» gehalten.

Ende Juni 2014 hat der Dienst ÜPF Gesuche auf Unterlassen der Vorratsdatenspeicherung im Fernmeldeverkehr erwartungsgemäss abgelehnt. Anfang September 2014 gelangten die Beschwerdeführenden, vertreten durch den Präsidenten von grundrechte.ch, ans Bundesverwaltungsgericht.

Polizei und Strafverfolgung

Das Bundesgericht hat mit drei Urteilen die polizeiliche Willkür in der Schweiz etwas zurückgestutzt: Eine polizeiliche «Befragung» habe die Qualität eines Freiheitsentzugs, wenn eine Person gefesselt zur Polizeiwache transportiert und dort festgehalten wird (BGE 1C_350/2013).

Paragraf 32f des Polizeigesetzes Zürich zur automatischen Überwachung von geschlossenen Kommunikations-Plattformen im Internet wurde aufgehoben. Eine vorgängige richterliche Genehmigung und nachträglicher Rechtsschutz für die Betroffenen seien erforderlich, um eine derartige Schnüffelei verfassungskonform durchzuführen (BGE 1C_653/2012).

DNA-Profile dürfen nicht von der Polizei auf Vorrat erstellt werden, nur weil eine Person in Zukunft eine Straftat verüben könnte. Vielmehr muss die Erstellung eines Profils nach einer Interessenabwägung von der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht angeordnet werden (BGE 6B_718/2014).

Repression an Sportveranstaltungen

In der Herbstsession 2014 hat der Nationalrat die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes mit der Aufhebung der Transportpflicht für Besucher von Sportanlässen endgültig an den Bundesrat zurückgewiesen. grundrechte.ch war an diesem Entscheid massgeblich beteiligt, insbesondere durch die Teilnahme an der Anhörung durch die Verkehrskommission.

In der zweiten Jahreshälfte hat fedpol auf Antrag der Kantonspolizei Basel-Stadt für die internationalen Auswärtsspiele des FC Basel je rund zwei Dutzend Ausreisebeschränkungen verfügt, grösstenteils ohne die Betroffenen vorher anzuhören. Einige dieser Ausreisebeschränkungen wurden vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten.

Gemäss einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2014 müssen Einträge in der Hooligan-Datenbank HOGAN gelöscht werden, wenn ein Strafverfahren, welches Auslöser dieser Einträge war, eingestellt wurde (BVGer A-1713/2014).

Die EMRK verteidigen

Um den Bestrebungen von SVP-Kreisen, die EMRK zu kündigen, entgegenzuwirken, wurde Ende November 2014 der Verein «Dialog EMRK» gegründet. grundrechte.ch ist Mitglied und unterstützt die Kampagne «Schutzfaktor M». Der öffentliche Appell kann online unterzeichnet werden auf www.schutzfaktor-m.ch.

Schutzfaktor_M

Internet

Seit Anfang 2014 erhalten Mobiltelefonbesitzer von der Paypay AG Rechnungen für angebliche Abos, z.B. zum Betrachten von Sex-Filmen. Betroffene beschwerten sich, da sie nie ein solches Abo gelöst hätten und im Internet nicht auf Porno-Seiten gewesen seien. Sie hätten auch nirgendwo ihre Telefonnummer angegeben. Im November 2014 stellte sich heraus, dass als Drittpartei die VAS Tools AG die Mobiltelefonnummern via die Verrechnungsschnittstelle der Swisscom ausgelesen hatte. Die Swisscom sperrte VAS Tools AG am 31. Oktober 2014 und kündigte den Vertrag. Befürworter der geplanten Verschärfung des BÜPF haben immer wieder argumentiert, dass die Daten bei den Fernmeldeanbietern sicher seien und ein Missbrauch nicht möglich sei. Der Fall VAS Tools AG ist ein Beispiel von vielen dafür, wie schnell unsere Daten missbraucht werden können.

Der Europäische Gerichtshof EuGH hat in der Rechtssache C-131/12 entschieden, dass Suchmaschinenbetreiber dazu verpflichtet werden können, Verweise auf Webseiten mit sensiblen persönlichen Daten aus ihrer Ergebnisliste zu streichen. Auch aus der Schweiz kann ein Löschantrag gestellt werden. Auf der anderen Seite scannt Google seit April 2014 Mails von Gmail-Nutzern systematisch, um personalisierte Werbung sowie weitere Dienstleistungen anzubieten.

 

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