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Jahresrückblick 2019

Mai 2020

Jahresrückblick 2019

30 Jahre nach dem Fichenskandal

1989 stellte die Parlamentarische Untersuchungskommission PUK im Rahmen ihrer Untersuchung zu «Vorkommnissen im EJPD» fest, dass die Geheimdienste rund 900,000 Akten, sogenannte«Fichen», angelegt hatten - ohne Rechtsgrundlage. Im Anschluss wurde neun Jahre später das «Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit» BWIS geschaffen, das den Geheimdiensten immerhin einige Schranken setzte. So wurde z.B. die Registrierung von legalen politischen Aktivitäten verboten. Das ist auch noch heute mit dem Nachrichtendienstgesetz NDG vom 1. September 2017 so. Rund 30 Jahre später stellte sich im Frühling 2019 allerdings heraus, dass der Nachrichtendienst des Bundes NDB weiterhin - oder wiederum - auch legale politische Aktivitäten fichiert.

Angesichts dieses erneuten Skandals forderte grundrechte.ch dazu auf, Einsicht in die eigene Fiche zu verlangen. Auf unseren Aufruf «Die Überwacher überwachen!» sind inzwischen etliche Antworten eingegangen. Aus diesen wie auch aus den Akten zu grundrechte.ch geht hervor, dass der NDB illegalerweise auch legale politische Aktivitäten fichiert. So ist in dem umfangreichen NDB-Dossier von grundrechte.ch neben vielen eingeschwärzten Stellen zum Beispiel detailliert aufgeführt: Die aktive Teilnahme an den Referenden gegen das NDG und das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF), das Einreichen von Vernehmlassungen zu neuen Gesetzen an den Bundesrat oder das Unterstützen von bewilligten Demonstrationen - alles politische Betätigungen, welche gemäss Artikel 5 Absatz 5 des NDG ausdrücklich nicht erfasst werden dürfen!

In einem nächsten Schritt werden wir zusammen mit Parteien und mit anderen NGO versuchen, die Systematik der Bespitzelung durch den NDB mit seinen 12 Datenbanken tiefer auszuleuchten. Am 21. Mai 2019 hat grundrechte.ch bei der Geschäftsprüfungsdelegation GPDel, der parlamentarischen Oberaufsicht über die Nachrichtendienste des Bundes, eine Aufsichtseingabe einreicht. In ihrem Jahresbericht vom 28. Januar 2020 bestätigt die GPDel erstmals das Fehlverhalten des NDB und legt eine lange Reihe von «Empfehlungen» vor. Es liegt nun am NDB bzw. am VBS, diese umzusetzen.

Exemplarisch: Schnüffel-Stadt Zürich - 30 Jahre Fichenskandal

1990 setzte auch der Zürcher Gemeinderat eine PUK ein, um die Aktivitäten des sogenannten «Staatsschutzes» genauer zu untersuchen. grundrechte.ch hat den aufschlussreichen Bericht dieser PUK vom Februar 1991 inzwischen professionell gescannt und auf der Website https://fichenfritz.ch publiziert.

In Zusammenarbeit mit der Wochenzeitung WOZ organisierten wir am 19. November 2019 eine sehr gut besuchte Podiumsveranstaltung im Zürcher Kino RiffRaff. Nach der Projektion des Films «Heimelig und heimlichfeiss» von Guido Henseler (2010 im Auftrag von grundrechte.ch entstanden) diskutierten fünf Mitglieder der damaligen PUK mit Merièm Strupler von der WOZ: Niklaus Scherr, Peter Niggli, Franz Schumacher, Werner Sieg und Martin Farner, der damalige Sekretär der PUK.

Alle 33 Ausgaben des «FichenFritz» digital aufbereitet

Im November 2019 konnten wir das Projekt «Digitale Archivierung der Zeitung FichenFritz» abschliessen. Alle zwischen Februar 1990 und Juni 1998 erschienenen 33 Ausgaben der Zeitung des Komitees «Schluss mit dem Schnüffelstaat» wurden professionell digitalisiert und sind hier verfügbar: https://fichenfritz.ch.

Referendum gegen das E-ID-Gesetz

grundrechte.ch hat sich in der Vernehmlassung klar gegen das neue Bundesgesetz über anerkannte elektronische Identifizierungseinheiten (E-ID-Gesetz) ausgesprochen, welches eine hoheitliche Aufgabe an Private delegieren würde. Das von grundrechte.ch unterstützte Referendum wurde am 16. Januar 2020 mit rund 65,000 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Der Abstimmungstermin ist voraussichtlich im November 2020.

Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium

Trotz erheblicher Sicherheitsmängel wollte der Bundesrat die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe im Schnellzugstempo flächendeckend einführen. Ein überparteiliches Komitee lancierte deshalb die Volksinitiative «Für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie (E-Voting-Moratorium)». Demnach soll E-Voting erst zulassen werden, wenn dieses sicher durchgeführt werden kann. grundrechte.ch unterstützt das Anliegen. Die Unterschriftensammlung wurde am 16. März 2019 gestartet. Bis zum 12. September 2020 müssen 100,000 Unterschriften gesammelt sein.

«E-Voting» war auch an der Mitgliederversammlung vom 13. Mai 2019 in Bern das Hauptthema. Zudem zeigten wir den unterhaltsamen und beängstigenden Dokumentarfilm von Werner Boote, «Alles unter Kontrolle».

Gesetzesverschärfungen wegen Terrorismus

grundrechte.ch unterstützt aktiv die NGO «Plattform Menschenrechte Schweiz» bei der Kampagne, die anstehenden Gesetzesverschärfungen im Terrorismusbereich zu verhindern oder doch zumindest das Schlimmste abzuwenden. Es ist völlig inakzeptabel, dass beispielsweise Kinder ab 12 Jahren mit Massnahmen wie Ein- und Ausgrenzung, Kontaktverboten, elektronischer Überwachung oder Ausreiseverboten belegt und Jugendlichen ab 16 Jahren sogar mit Hausarrest belegt werden könnten.

AHV-Nummer als globaler Identifikator

Mit einer Änderung des AHV-Gesetzes will der Bundesrat die AHV-Nummer zum globalen Identifikator in der öffentlichen Verwaltung machen - trotz erheblicher Bedenken bezüglich Sicherheit und Datenschutz. Viele Kantone und Gemeinden unterstützen dieses Vorhaben. Die Vorlage des Bundesrates sieht vor, dass neben allen Verwaltungseinheiten auf Bundes- Kantons- und Gemeindeebene auch Dritte, beispielsweise Krankenkassen im obligatorischen Bereich, Ausgleichskassen, Pensionskassen oder Unfallversicherungen in das «Nationale System zur Abfrage von Adressen natürlicher Personen» (ADG) eingebunden werden. Die AHV-Nummer würde so zum universellen Identifikator für alle Amtsstellen und für Private mit öffentlichen Aufgaben. grundrechte.ch wird diese Ausweitung weiterhin bekämpfen.

Observationen der Grenzwache

Seit dem 1. August 2016 darf die Eidgenössische Zollverwaltung gestützt auf den neuen Art. 128a des Zollgesetzes Observationen inklusive Bild- und Tonaufzeichnungen durchführen. Wie mehrere im Mai 2019 publizierte Urteile des Bundesgerichts zeigen, hat die eidgenössische Zollverwaltung aber bereits lange vor diesem Zeitpunkt, mindestens seit März 2013, verdeckte Observationen und Überwachungen mit GPS-Trackern durchgeführt.

Vernehmlassungen

grunddrechte.ch hat sich im Jahr 2019 an folgenden eidgenössischen Vernehmlassungen beteiligt:

Vorstand 2019

Stefan Dietiker (Bern), Viktor Györffy (Zürich, Präsidium) Christof Hugentobler (Bern), Christoph Müller (Uster), Christian Thommen (Binningen), Catherine Weber (Bern, Geschäftsführung)

 

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