Mit einem IMSI-Catcher kann verdeckt festgestellt werden, welche Mobiltelefone sich im Umkreis von ein paar 100 Metern befinden. Auf diese Weise könnten beispielsweise die Teilnehmer einer Demonstration identifiziert werden. Bisher besitzen die Kantonspolizei Zürich und die Bundeskriminalpolizei derartige Geräte. Die Kantonspolizei Bern leiht sich gelegentlich IMSI-Catcher aus und will jetzt ebenfalls einen anschaffen. Dafür soll der Regierungsrat 750,000 Franken auf den Tisch legen. Gemäss Ausschreibung wird der IMSI-Catcher der CPV - Nummer «35720000 - Nachrichtengewinnung, Überwachung, Zielerfassung und Aufklärung» zugeordnet. Common Procurement Vocabulary (CPV) ist das einheitliche Klassifizierungssystem der Europäischen Union für das öffentliche Beschaffungswesen (Verordnung 213/2008 vom 15. März 2008), welches von der Schweiz übernommen wurde. Bis zum 29. Oktober 2015 kann bei der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern Beschwerde gegen den Zuschlag erhoben werden.
Eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von IMSI-Catchern gibt es frühestens mit der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF), welche derzeit beim Ständerat liegt und mit einem Referendum bekämpft werden dürfte. Das ist den Gesetzeshütern aber scheinbar egal.
Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts geht das BÜPF als «lex specialis» der Strafprozessordnung (StPO) vor (BGE 139 IV 98 Erwägung 4.8). Weil das BÜPF explizit alle Fernmeldeüberwachungen regelt und IMSI-Catcher dort nicht vorgesehen sind, ist es willkürlich, IMSI-Catcher gestützt auf die StPO einzusetzen, auch wenn dies Polizeisprecherin Späh besser wissen will. Zudem wird auf diese Weise die Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht umgangen. Staatsanwälte wie z. B. Bruno Ulmi aus Uri können somit ohne Genehmigung Fernmeldeüberwachungen anordnen.
Hasim Sancar hat am 30. Oktober 2015 beim Regierungsrat eine dringliche Interpellation eingereicht. Er fordert, dass Parlament und die Öffentlichkeit über die Verwendung des IMSI-Catchers informiert werden, bevor der Regierungsrat den Kauf bewilligt. Der Regierungsrat hat am 9. Juni 2016 geantwortet, dass er vorläufig aus finanziellen Gründen auf den Kauf verzichten wolle.
Am 27. November 2015 hat die NZZ aufgezeigt, dass auch viele andere kantonale Polizeikorps IMSI-Catcher einsetzten. Es handelt sich um mehrere Dutzend Fälle pro Jahr. Der Bericht der NZZ hat unter anderem den kantonalen Datenschützer von Basel-Stadt auf den Plan gerufen.
Antwort des Regierungsrates auf Parlamentarischen Vorstoss
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