In unseren Quartieren hat die Armee nichts, aber auch gar nichts verloren

11. Oktober 2012

Die Schwei­zer Ar­mee hat ei­ne Auf­ga­be ge­fun­den: Ab heu­te Frei­tag un­ter­stützt sie die Ba­sel­bie­ter Po­li­zei im Kampf ge­gen Ein­bre­cher. Da­zu ei­ne kur­ze Ob­ser­va­ti­on.

Kom­men­tar von Mi­cha­el Ro­cken­bach, Ta­ges­wo­che

Noch ehe sie rich­tig lan­ciert ist, sorgt die neus­te Of­fen­si­ve der Schwei­zer Ar­mee be­reits für be­trächt­lich Är­ger. Da­bei ist es aus­ge­rech­net die Par­tei des Ba­sel­bie­ter Si­cher­heits- und Mi­li­tär­di­rek­tors Isaac Re­ber, die am lau­tes­ten auf­be­gehrt. Die Grü­nen stel­len Re­bers ge­mein­sa­me Ak­ti­on mit der Mi­li­tär­po­li­zei schon fast als kri­mi­nell dar.

Über­ra­schend ist die Kri­tik al­ler­dings nicht, weil Mi­li­tär­ein­sät­ze in Frie­dens­zei­ten höchs­tens in ei­nem Mi­li­tär­staat üb­lich sind.

Ent­spre­chend wort­reich set­zen sich nun die Be­für­wor­ter für die Ar­mee ein.

Ent­waff­nend ehr­lich äus­sert sich Urs Mül­ler, Spre­cher des Ar­mee­füh­rungs­sta­bes, in der «bz Ba­sel». «Ex­pli­zit Ein­bruch­schutz ken­nen wir als Auf­trag nicht», gibt er zu.

Will heis­sen: Ein­bruchs­tou­ren sind nicht der Ar­mee ihr Ding.

«Ge­schos­sen wird nur im Not­fall»

Wo­bei Mül­ler ein schlech­ter Sol­dat wä­re, wenn er die Schlacht im Vor­aus ver­lo­ren gä­be. Dar­um sei­ne Re­la­ti­vie­rung. Ein­bruch­schutz im wei­te­ren Sin­ne sei ein «wei­tes Feld». Da­zu ge­hö­re: Prä­senz mar­kie­ren, Fahr­zeug­kon­trol­len, Ge­län­de­ob­ser­vie­rung. Ge­nau die Auf­ga­ben al­so, in de­nen Mül­lers Man­nen ge­übt sind.

Nun kann man sich al­ler­dings fra­gen, ob man das im Ba­sel­biet tat­säch­lich will. Mi­li­tär­po­li­zis­ten, die in Wohn­quar­tie­ren Prä­senz mar­kie­ren um in den Vor­gär­ten Ge­län­de­ob­ser­va­tio­nen vor­zu­neh­men - oh­ne dass sie die ei­gent­li­che Auf­ga­be ih­res Ein­sat­zes - den so ge­nann­ten Ein­bruchs­schutz - tat­säch­lich be­herr­schen wür­den.

Es ist ei­ne Fra­ge, die wohl je­der Ba­sel­bie­ter für sich selbst be­ant­wor­ten muss. Gott sei Dank, kann er das in al­ler Ru­he tun, oh­ne Angst.

Mül­ler je­den­falls ver­spricht, dass die Sol­da­ten ih­re Schuss­waf­fen nur zur Not­wehr oder zum Selbst­schutz zü­cken wer­den.

Vor­bild Eu­ro?

Ni­co Bus­chau­er wie­der­um, der Spre­cher der Ba­sel­bie­ter Po­li­zei, ver­weist auf frü­he­re Ein­sät­ze, wel­che die Schwei­zer Ar­mee im zi­vi­len Be­reich er­folg­reich ge­meis­tert hat, et­wa bei der Eu­ro 2008 oder beim World Eco­no­mic Fo­rum (WEF) in Da­vos.

Na­tür­lich gä­be es auch ganz an­de­re Bei­spie­le. Vom Ein­satz von 1918 zum Bei­spiel, als die Ar­mee im Lan­des­streik ge­gen das ei­ge­ne Volk vor­ging, was meh­re­re Ar­bei­ter das Le­ben kos­te­te.

Aber das ist na­tür­lich kein The­ma für Bus­chau­er. Der ak­tu­el­le Ein­satz rich­tet sich ja auch nur ge­gen Ein­bre­cher, ge­gen die so ge­nann­ten Kri­mi­nal­tou­ris­ten, die nichts an­de­res im Sinn ha­ben, als uns aus­zu­rau­ben. (Gut, der ei­ne oder an­de­re ko­mi­sche Kauz wird mög­li­cher­wei­se auch noch ins Vi­sier der Mi­li­tär­po­li­zei ge­ra­ten, aber: selbst schuld, wer sich ver­däch­tig be­nimmt.)

SV­Pler stand selbst schon mit Sturm­ge­wehr am Flug­ha­fen

Das se­hen of­fen­bar auch die bür­ger­li­chen Po­li­ti­ker so, die sich nun zu Wort mel­den. Dar­un­ter auch wah­re Ex­per­ten wie SVP-Land­rat Hans-Jür­gen Ring­gen­berg, der En­de der 1960er-Jah­re selbst mit dem Sturm­ge­wehr am Gen­fer Flug­ha­fen stand. Als Sol­dat, im Ern­st­ein­satz, nach der Ent­füh­rung ei­ner El-Al-Ma­schi­ne. «Ei­ne Aus­bil­dung zum Spe­zi­al­kom­man­do brauch­ten wir da­für nicht», sag­te er der «bz Ba­sel».

Die Bot­schaft ist klar: Nach­dem die Ar­mee auch schon mit Ter­ro­ris­ten ge­kämpft hat, wird sie wohl auch noch mit Ein­bre­chern fer­tig.

Nun könn­te man ein­wen­den, dass die Be­kämp­fung der Luft­pi­ra­te­rie in der Schweiz zu Ring­gen­bergs Sol­da­ten­zei­ten nur be­dingt ei­ne Er­folgs­ge­schich­te war. To­des­schüs­se auf Pi­lo­ten, Flug­zeug­ent­füh­run­gen und -ab­stür­ze nach Bom­ben­an­schlä­gen - all das konn­te nicht ver­hin­dert wer­den.

Für Rig­gen­berg steht den­noch fest: «Wir dür­fen ru­hig mal un­se­re Zäh­ne zei­gen.»

Erst mal nach­den­ken

Auch ge­gen die­se Aus­sa­ge lässt sich nur schwer­lich was ein­wen­den. Manch­mal lohnt es sich aber wahr­schein­lich auch, erst mal ein biss­chen nach­zu­den­ken - ehe man sei­ne Beis­ser­chen prä­sen­tiert. So wie die Bas­ler Re­gie­rung zum Bei­spiel. Oder die Ber­ner Re­gie­rung. Sie bei­de sind von Sei­ten von Rechts­po­li­ti­kern schon frü­her mit der For­de­rung nach dem Ein­satz von Mi­li­tär­po­li­zei in der Ver­bre­chens­be­kämp­fung kon­fron­tiert wor­den. Und sie bei­de ka­men un­ab­hän­gig von­ein­an­der zum Schluss, dass ein sol­cher Ein­satz un­nö­tig und «ver­fas­sungs­recht­lich hei­kel» wä­re.

Was mit Blick aufs Ba­sel­biet nichts an­de­res be­deu­tet, als dass die Ver­bre­chens­be­kämp­fer selbst das Ge­setz ver­let­zen. Oder zu­min­dest im Grau­be­reich er­mit­teln.

Ei­ne mehr als frag­wür­di­ge Kon­stel­la­ti­on, zu der die Ba­sel­bie­ter Po­li­zei und Jus­tiz­di­rek­ti­on am liebs­ten gar nichts sa­gen wür­de. «Aus po­li­zei­t­ak­ti­schen Grün­den» kön­ne man lei­der nichts Nä­he­res über den Ein­satz sa­gen, schwa­dro­nier­te die so ge­nann­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ab­tei­lung zu­erst. Nach der lau­ten Kri­tik ver­sucht die Po­li­zei die ge­mein­sa­me Ak­ti­on mit der Mi­li­tär­po­li­zei nun als «Übung» her­un­ter­zu­spie­len.

Viel­leicht ist das Gan­ze aber noch sehr viel ein­fa­cher: Si­cher­heits­di­rek­tor Isaac Re­ber hat zu we­nig Geld und dar­um zu we­ni­ge gu­te Po­li­zis­ten und die Ar­mee kei­ne wirk­li­che Auf­ga­be mehr.

Nun ha­ben bei­de Sei­ten ih­re Pro­ble­me ge­löst - schein­bar zu­min­dest.

 

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