Von Timo Kollbrunner, «der Bund»
Polizisten sollen im Kanton Bern künftig ohne richterliche Genehmigung verdeckt fahnden dürfen. Und: Wer einen Polizeieinsatz provoziert, soll ihn selbst bezahlen. Die Demokratischen Juristen finden die Vorschläge «äusserst heikel».
Es ist eine Fülle an Revisionsvorschlägen, die der Regierungsrat des Kantons Bern gestern präsentiert hat. In beiden Gesetzen, die die Polizeiarbeit regeln - dem Polizeigesetz wie auch dem Gesetz über die Kantonspolizei -, sollen mehrere Artikel angepasst oder neu hinzugefügt werden. Der Regierungsrat verzichtete darauf, seine Vorschläge bei einer Medienorientierung en détail darzulegen. Es handle sich zwar um notwendige Anpassungen, diese seien aber nicht «weltbewegend», begründete Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP) auf Anfrage.
Ausserdem könnten alle Partner noch Änderungen vorschlagen. Simone Rebmann, Geschäftsführerin der linken Vereinigung Demokratische Juristinnen und Juristen Bern, sieht das - zumindest in Bezug auf das Polizeigesetz - nicht so entspannt.
Sie stört sich vor allem daran, dass die präventive verdeckte Fahndung neu eine gesetzliche Grundlage erhalten soll. Denn ein neuer Absatz im Gesetz besagt, wann Polizeibeamte unter Verschleierung ihrer wahren Identität und Funktion ermitteln dürfen. Im Gegensatz zur verdeckten Ermittlung, die in der eidgenössischen Strafprozessordnung festgelegt ist, soll die verdeckte Fahndung nicht nur bei bestimmten Straftaten, sondern «für die Verhinderung sämtlicher Vergehen und Verbrechen» zulässig sein. «Jede Überwachung ist ein Eingriff in die Privatsphäre», sagt Simone Rebmann. Deshalb solle «nur zur Aufklärung von tatsächlichen, schweren Straftaten» verdeckt ermittelt werden. Nun wolle sich die Polizei für die präventive Arbeit ein «Hintertürchen» schaffen, das «sehr problematisch» sei.
«Schnüffeln» nur auf Verdacht hin
Was Simone Rebmann zudem missfällt: Während eine verdeckte Ermittlung immer vorgängig von einem Zwangsmassnahmegericht erlaubt werden muss, soll eine verdeckte Fahndung erst dann gerichtlich genehmigt werden müssen, wenn sie länger als einen Monat dauert. Die Polizei könne so einen Monat lang ohne Überprüfung und lediglich auf Verdacht hin «schnüffeln», sagt die Juristin.
Der Artikel führe «ganz sicher nicht dazu, dass der Polizeistaat überhandnimmt», sagt dagegen Hans-Jürg Käser. «In welchen Fällen verdeckt gefahndet werden darf, ist im Artikel ganz klar geregelt.» «Ganz klar» heisst in diesem Fall Folgendes: Gemäss dem betreffenden Artikel kann die Kantonspolizei eine verdeckte Fahndung dann anordnen, wenn «ernsthafte Anzeichen dafür bestehen, dass Verbrechen oder Vergehen vor der Ausführung stehen» und wenn «andere Massnahmen zur Informationsbeschaffung aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden».
Private als Helfer auf Provision
Neu ist auch geregelt, wie die Polizei mit Privatpersonen zusammenarbeiten darf. Das sei insbesondere in zwei Bereichen von Belang, sagt Hans-Jürg Käser: für die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten und für die Kooperation mit Privatpersonen bei der Bekämpfung von Milieukriminalität. «Bei besonders wertvollen Hinweisen entscheidet die Polizeikommandantin oder der Polizeikommandant im Einzelfall über die Auszahlung von Prämien», soll neu im Gesetz stehen.
Das sei «wie ein Kopfgeld», sagt Simone Rebmann. Die Entschädigung dürfe auf keinen Fall erfolgsabhängig sein. Wenn die Polizei mit Privaten zusammenarbeiten wolle, solle sie diese anstellen. «Wir wollen eben gerade nicht mehr Leute anstellen», sagt Hans-Jürg Käser dazu - dafür fehle schon alleine das Geld. Es gehe lediglich darum, den Einsatz von Privaten zu honorieren, die der Polizei sehr geholfen hätten.
Polizeieinsätze selbst bezahlen
Für Diskussionen dürfte auch ein anderer neuer Artikel sorgen. Er besagt, dass von einem Verursacher eines Polizeieinsatzes neu Kostenersatz verlangt werden kann, «wenn dieser vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt hat». Die Organisatoren eines Massenbesäufnisses oder einer Tanzdemo etwa, die einen Polizeieinsatz erfordern, könnten künftig zur Kasse gebeten werden - wenn es gelingt, sie ausfindig zu machen. «Wir sind nicht mehr bereit, grobfahrlässig verursachte Polizeieinsätze einfach auf die Steuerzahlenden abzuwälzen», sagt Hans-Jürg Käser.
«Polizeiarbeit ist eine staatliche Aufgabe», sagt dagegen Simone Rebmann. Etwa in Bezug auf Demonstrationen sei dieser Artikel äusserst heikel. «Im Nachhinein kann man schnell sagen, man habe mit einem Polizeieinsatz rechnen müssen.» Polizeidirektor Käser sagt, noch sei es zu früh, zu sagen, in welchen konkreten Fällen der Artikel angewandt würde.
Die Gesetzesentwürfe gehen nun bis Mitte September in die Vernehmlassung. Hans-Jürg Käser geht davon aus, dass «sicher einige Anträge hereinkommen» werden. Danach wird der Regierungsrat die - allenfalls abgeänderten - Vorschläge dem Grossen Rat vorlegen.
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